Hallo aus Schwandorf

16. Juni 2015 um 00:20
Hallo,

ich meld mich hier jetzt einfach mal an, auch wenn ich keine Schmiede habe... aber ich bin neugierig.

Ich mache seit 13 Jahren Living History auf verschiedenen Mittelaltermärkten und hab vor ein paar Jahren mit einem Freund eine Handwerkergruppe gegründet.
Inzwischen versuchen wir, möglichst historisch korrektes Werkzeug zu verwenden, und das geht ab einem gewissen Anspruch nur noch mit selbst machen.

Mir wäre es ein Anliegen, darüber ein bißchen was zu lernen, ggf Hilfestellung beim Einrichten einer kleinen Schmiedemöglichkeit zu bekommen, oder auch Luete zu finden, die in meiner relativen Nähe wohnen, und bei denen ich mal ein bißchen lernen und ausprobieren kann.

Mir geht es vorallem um sehr kleine Werkzeuge, wie zB Bohrer für Bernstein oder Verzierungen, Miniaturschnitzeisen für die Schmuckherstellung aus Horn, Knochen, Bernstein und das ein oder andere Lederwerkzeug. Auch Punzen für Bronze wären durchaus ganz spannend, und Ziseliereisen.

Jeder Schmied auf den Mittelaltermärkten, den ich nach sowas gefragt habe, hat mich mehr oder minder ob der Fummelarbeit zum Teufel gejagt. Kaufen kann man sowas entweder nur für extrem teuer Geld, oder gar nicht, nicht mal in modern. Ausserdem mach ich gerne selber Dinge.

Ich bin ein Mensch der sich schnell langweilt und immer neue Herrausforderungen sucht, bei gleichzeitigem fast krankhaften Perfektionismus. Wenn ich nicht irgendwas baue, recherchier ich gerne, tüftel an Ideen rum, lese und schau Filme, geh schwimmen und tanzen, und kümmer mich um meine momentan ca 45 Orchideen (und nö, nicht die Standardteile aus Bau und Supermarkt). Nebenbei lerne ich gerade Imkern und fahr natürlich auf Mittelaltermärkte.

Soviel zu mir,
allen einen schönen Gruß,

Ronja

Tante Edit meint, ich hab Buchstaben vergessen...
Zuletzt bearbeitet: 16. Juni 2015 um 00:21, Ronja
16. Juni 2015 um 18:39
Servus Ronja,
Erstmal Wilkommen hier im Forum! Ich denke hier findest du auch deine Zielgruppe an schmieden, auch wenn man sagen muss, das deine Werkzeuge schon wahnsinnig fein sind/sein sollen.
Hilfe bei der Einrichtung einer eigenen Schmiedeecke findest du reichlich hier im Forum, am besten mal die Suchfunktion nutzen und dich durchs Forum arbeiten. Fragen werden gerne Beantwortet, am besten auch im Chatt, der relativ regelmäßig besetzt ist. Ansonsten auch gerne per PM, Stelle mich da gerne zur Verfügung alle Fragen zu klären. (Anfängerfragen wurden bereits oft gestellt und beantwortet, deshalb können manchmal generfte reaktionen entstehen... (Verständlich).

Naja, Mainburg ist jetzt nicht deine Relative Nähe, aber mit 1h Fahrzeit auch nicht aus der Welt... Biete meine Werkstatt gerne an... Wobei ich sagen muss, solche projekte habe ich auch noch nicht angepackt, habe also dort keinerlei erfahrung.

Viele Grüße,
Alex
16. Juni 2015 um 19:24
Hallo Alex,
danke für die nette Antwort.... ich werd mich ganz sicher noch durchs Forum stöbern, aber nachdem es ja wie du schon sagtest um sehr feine Arbeiten geht, werd ich wohl eher direkt Fragestellung ins Forum posten müssen.

Mainburg liegt auf dem Weg nach München, wenn mich nicht alles täuscht, da hab ich Familie, und 1 Std Fahrtzeit ist auch durchaus tragbar.

Ich denke mal das bei sowas die wenigsten Erfahrungswerte haben werden, weil ja doch sehr spezielle Wünsche.

Aber Erfahrungswerte welcher Stahl wie zu bearbeiten, glühen und härten ist, wirst du vielleicht doch haben. Und wie ich mein Glück kenne, werd ich mir auch Werkzeuge machen müssen, um mein Werkzeug zu machen

Interssante Frage so für den Anfang wäre zb ob ein Dengelamboss oder ein Setzwerkzeug (Senkwerkzeug???) in meinem Fall auch als Amboss taugen würde.... weil was soll ich für meine Futzelteile mit einem 200kg Amboss anfangen?

LG Ronja

PS: Chat ist ein guter Tip, ich mag interaktive Dialoge sowieso lieber als Forum schreiben und dann warten.... Geduld ist eine Tugend, die bei mir nur sehr bedingt vorhanden ist
16. Juni 2015 um 19:40
Hallo Ronja,
herzlich willkommen im Forum.
Ich kein "Fummler", denke aber, dass die Werkzeuge, die Du benötigst auch nicht so viel anders sind, außer kleiner.
Das hat den Vorteil, dass Du mit einer kleinen Esse, und einem kleinen Amboss auskommst. Und dann lieber das Geld in sehr gute Feilen stecken.

Ich würde an Deiner Stelle nach einem guten 50-70kg Amboss suchen. Kleiner erst mal nicht, damit Du Dir Dein Schmiedewerkzeug noch selber schmieden kannst (Zangen, Hämmer, Dorne, etc.). Für den Amboss kannst Du Dir dann die verschiedenen kleineren Einsteckwerkzeuge machen.

Als Esse evtl. Gas, weil Dir dann die feinen Teile nicht so leicht überhitzen. Zum Anlassen tut es dann auch ein Mini-Backofen.

Viel Erfolg!

Grüße

Jörg
16. Juni 2015 um 21:10
Hallo und Willkommen,

Stelle doch mal deine Wünsche hier ein. Einfach per Bild oder Zeichnung, sowie den Verwendungszweck. Dann hat man eine Vorstellung , vor allem welche Materialien in Frage kommen. 

Gruß Rom. 
Mit besten Grüssen 
Rom. 
17. Juni 2015 um 11:17
Hallo Ronja,

willkommen im Forum!
Also mit das bislang Kleinste was ich bisher geschmiedet habe ist das hier:
IMGP4135.jpg

Angefangen hat es als 8x8x30mm Vierkantstahl
In meiner Kohleesse wars teilweise schon mal schwer zwischen den Kohlen wiederzufinden... von daher würde ich auch zur Gasesse raten. Man braucht viel Geduld und ne ruhige Hand für solche kleinen Objekte und passende Zangen (wie immer eigentlich).

Viele Grüße, Michael
17. Juni 2015 um 17:50
Ich hab mal die Mittagspause und Kundenfreie Zeit heut auf Arbeit sinnvoll genutzt und bissi gekritzelt... die Maße sind erstmal ungefähr... größer eher ned, kleiner vielleicht. Winkel und co hab ich erstmal aussen vor gelassen, da werd ich wohl Praxiswerte brauchen....

Ich hoffe ihr könnte mein Gekrakel entziffern und deuten...

Die Bohrer sind für Holz, Horn, Knochen und Geweih gedacht, sowie Bernstein. Schnitzeisen gleichfalls. Die Punzen für Bronze bzw Kupfer bzw Messing bzw Tombak... die Ecke halt, und wenn es ich mir leisten kann, auch für Silber.

Das wäre so die Aufwärmrunde um zu gucken, wieviel Dresche ich für meine Sonderwünsche kassiere

Ansonsten hätte ich noch mehr sowas "Habenwollen"

LG Ronja

Werkzeugentwuerfe1.jpg
17. Juni 2015 um 20:17
Ich denke, das läßt sich mit etwas Übung alles schmieden. Autofedern dürften als Material für einiges auch reichen.

Besorg Dir Die Kunst des Schmiedens:von Håvard Bergland. Da wird vorallem auch das Schmieden von Werkzeugen (Bohrer etc.) genau beschrieben.

Grüße

Jörg

17. Juni 2015 um 23:13
Hallo Ronja,

Endlich 'mal jemand, der mich versteht...

auch wenn ich mehr verkleinerte Werkzeuge schmiede.
DSC01760.jpg 
Der Beitel ist auf die Schnelle aus Spaß in der Kohleesse mit einer normalen Flachmaulzange und einem 1kg Hammer entstanden, als Oli den Klüpfel bekommen hat. Und was nützt ein Klüpfel ohne entsprechendes Werkzeug.
DSC01761.jpg 
Material: Silberstahl, gehärtet und scharf.


Meine Empfehlungen:

Gasesse (google nach Coffee Can Forge),
eine feste Halterung für einen (zusätzlichen) leistungsstarken Gaslötbrenner mit 2000° Flammtemperatur.

Ein kleiner Amboss reicht, mein Taschenamboss hat 20kg. Ich schmiede so kleine Sachen auch gerne auf einem Setzhammer - Unterteil, das ich im Schraubstock einspanne. Eine Seite ist scharf, die anderen Seiten habe ich mit verschiedenen Radien versehen.

Hämmer: umgeschliffene Schlosserhämmer von 100gr bis 500gr reichen für den Anfang.

Das Ausgangsmaterial für meine Zangen sind Arterienklemmen (200mm) und lange Spitzzangen (280mm).

Wichtig: Gute Feilen: Nadel/Habilisfeilen (Dick oder Feine Werkzeuge).

Schleifpapier kannst du dir auf entsprechend geformte Holzstäbe aufkleben.

Als Material für deine kleinen Schneidwerkzeuge würde ich Silberstahl (1.2210) nehmen. Vorteil: den bekommst du in den gewünschten Ausgangsquerschnitten. Für die Punzen reicht auch Federstahl.

Das Wichtigste: Die Wärmebehandlung lernst du am besten von einem (Messer)Schmied.

Schade, dass du so weit südlich des Äquators wohnst.

Grüße Willy
 
Das kann man so machen, muss man aber nicht.
18. Juni 2015 um 08:22
Hallo Willy,
danke für deine Antwort, ein paar Sachen sind mir noch nicht ganz klar wie du sie meinst.

Eine Coffee-Can-Forge wollte ich mir eh bauen, ich hab dafür auch schon eine 10L Dose, Perlite, Wasserglas und einen Lötbrenner da, der allerdings nur 1850°C Flammemperatur schafft. Was genau meinst du mit der Halterung und dem Zusätzlichen Lötbrenner? Sollen 2 Brenner in die Esse oder soll einer ausserhalb der Esse liegen?

Ambosstechnisch wurde mir im Chat ua auch ein Sperrhörnchen empfohlen, am Allerliebsten hätte ich allerdings gerne Ambosse wie sie die Wikinger auch verwendet haben (also klein und zum Stecken), damit könnte ich dann auch mal auf einem Markt vor mich hin werkeln. Das Sperrhörnchen würde allerdings auch stark in diese Richtung gehen.

Die Hämmer wie umgeschliffen? bzw welche Formen sollten sie haben?

Wenn du bei den Zangen sagst, Aterienklemmen und Spitzzangen als Ausgangsmaterial, was stellst du dann noch mit ihnen an?

Bei den Feilen werd ich dann glaub ich arm.... muss ich mal am Flomarkt gucken oder vielleicht gebraucht. Das Schleifpapier ist als Feilenersatz oder Feilenergänzung gedacht?

Der Silberstahl ist mir sympathisch, bezahlbar und in den Durchmessern, die ich brauche, nicht erst Autofedern runterschmieden. Zumal ich aus einem Meter davon ja gute 10 Schnitzmesser, ne erhebliche Menge Bohrer oder eben auch Punzen rausrkiegen würde. Somit relativiert sich der Materialpreis pro Werkzeug deutlich gegenüber dem Schrottpreis.
Wenn Federstahl auch für die Punzen reicht, kann ich trotzdem der Einfachheithalber den Silberstahl dafür verwenden?

Ja, die Wärmebehandlung ist eigentlich mein größtes Problem. Weil viel zu schmieden ist an meinen Werkzeugen eigentlich nicht, flachklopfen, spalten oder grob formen, ggf mal dünner machen/strecken oder stauchen. Liese sich zur Not vermutlich auch schleifen. Aber eben nicht wärmebehandeln.
Ich hoffe, ich finde jemanden, der seine Erfahrungswerte rausrückt, und mir ein bißchen zeigt und erklärt woran ich dieses und jenes feststellen kann. Hab schon festgestellt, das viele Leute mit Wissen umgehen als würde man es ihnen aus dem Kopf saugen und dann ein Konkurenzgeschäft aufmachen, gerade im Handwerk.

Finde ich als Anhängerin von Permakultur etc und freies Wissen sehr schade.

LG Ronja
18. Juni 2015 um 11:41
Hab schon festgestellt, das viele Leute mit Wissen umgehen als würde man es ihnen aus dem Kopf saugen und dann ein Konkurenzgeschäft aufmachen, gerade im Handwerk.

diese Erfahrung habe ich bei Schmieden generell noch nicht gemacht (bis auf 1 speziellen Fall, aber schwarze Schafe gibt es überall).
Und zum Wissensaustausch gibt es ja auch dieses Forum!

Gruß DerSchlosser   
Ein Hoch dem ehrbaren Schmiedehandwerk!
19. Juni 2015 um 02:04
Hallo Ronja,

Sehr viele Brenner, die für Gasessen modifiziert wurden, brennen ohne Esse - gelinde gesagt - suboptimal. In der Gasesse kannst du deine Teile nur gleichmäßig erwärmen. Um einzelne Stellen gezielt zu erwärmen, brauchst du einen externen Brenner. Das ist besonders beim Härten wichtig. Bei den dünnen und feinen Geometrien, die du herstellen willst, neigen Werkzeugstähle mit "Abschreckgeschwindigkeitsverlangsamern" - und der Chrom im Silberstahl gehört dazu - schon an der Luft zu härten. Es ist also sinnvoll, nur die Spitzen/Schneiden auf Härtetemperatur zu bringen. Dafür der externe Brenner. Und der braucht eine feste Halterung, weil du sowieso schon alle drei Hände voll hast.

Klar Sperrhorn geht auch gut, wikingerzeitlich nicht ganz korrekt, aber wer weiß das schon. Ein Setzstöckel/Setzhammer - Unterteil wäre korrekter.

Bei den Hämmern schleifst du erst einmal nur alle scharfen Kanten weg. Scharfe Kanten machen Macken, die du nicht haben willst. Wenn du besondere Hammerformen brauchst, wirst du es merken. Dann kannst du dir überlegen: Umschleifen, umschmieden oder neu kaufen. Kann man auch neu schmieden, muss man aber nicht - auch wenn Willi das anders sieht.

Klar kannst du aus Silberstahl auch Punzen herstellen.

Die Wärmebehandlung solltest du wirklich bei jemandem lernen, der davon Ahnung hat. Klar kann man viel lesen, wir können Eisen - Kohlenstoff - Diagramme erklären, bunte Bildchen von Glüh - und Anlassfarben zeigen, aber das ersetzt in natura gesehen und gemacht haben. Klar geht auch Trial and Error, aber es macht nicht wirklich Spaß stundenlang an einer Messerklinge herumgearbeitet zu haben, um dann festzustellen: Pling - Error. Tip: Forentreffen - Das nächste für dich ist wahrscheinlich das Hammer in in Sperberslohe. Ich habe schon so viel gelernt von anderen Schmieden, ich kann Martin da nur zustimmen.

Grüße Willy 
Das kann man so machen, muss man aber nicht.
19. Juni 2015 um 14:22
Hallo,

also lt. Timm ist das Sperrhorn durchaus Wikingerzeitlich belegbar....
Es ist sinnlos zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es muss dir gelingen, das zu tun, was erforderlich ist.
19. Juni 2015 um 15:26
@Lutz: Aus den Runensteinen von Gök oder Ramsundberg kann man auf einen sperrhornförmigen Amboss schließen, muss man aber nicht. Ein Bodenfund wie z.B. in Haithabu wäre aussagekräftiger.

@ Ronja: Nachtrag. Zu den Zangen hatte ich noch nichts geschrieben. Die Zangen werden nach Bedarf umgeschmiedet Zum Beispiel: Beide Spitzen ca. 3mm um 90° nach innen abgewinkelt, um Hämmer und Beile im Haus fassen zu können. Oder: Die Spitzen gebogen wie bei einer Döpperzange und dann um 90° abgewinkelt, damit ich Rundmaterial vernünftig greifen kann. Die Zangen habe ich übrigens billig gekauft. 5 Arterienklemmen für 20€ und 2,99€ für eine Spitzzange wenn ich mich recht erinnere.

Grüße Willy

 
Das kann man so machen, muss man aber nicht.
19. Juni 2015 um 20:17
Hallo Ronja,

Wir haben schon etwas hinter den Kulissen geschrieben, und ich habe das ganze hier noch einmal gelesen.
Ich schlage vor du nimmst für alles was du machen möchtest Ck 45. Das ist ein niedrig legierter Stahl mit 0,45% Kohlenstoff.
Die Wärmebehandlung ist ein Kinderspiel. Du musst es allerdings einmal gesehen haben, alles schreiben bringt nichts. Das wurde ja bereits erwähnt.
Ich habe daraus bereits 7 Ambosse gemacht, also jene "Klötchenambosse" mit gehärteter Bahn. Die Bilder die ich dir zeigen wollte sind mir allerdings irgendwie abhanden gekommen. Ich werde sie also nochmals ablichten. Die Luxemburgischen Pfadfinder masakrieren die seit 3 Jahren ohne eine abgeplatzte oder eine sonstige Macke an den Kanten resp. der Bahn.

Was das herstellen von Werkzeugen betrifft, kann ich mich meinen Vorrednern nur anschliessen. Es ist sehr wichtig das einmal gesehen und probiert zu haben.
Ich schlage vor du kommst in einem Monat nach Sperberslohe zum Hammer In. Dort würdest du gute Leute treffen, ich könnte dir Material mitbringen, evtl einen Klötzchen Amboss....
Überlegs dir.

Gruß Rom.Erz_an_Moosen_007.jpgAichach_2015_065.jpg 
Mit besten Grüssen 
Rom.