Rat zu Lufthammergesenken

23. Februar 2016 um 18:47
Hallo liebe Gemeinde,

ich habe nun seit einiger Zeit meinen Lufthammer (75-kg AREF-Nachbau) in Betrieb und gemerkt, dass die Gesenke doch in den letzten Jahrzehnten deutlich gelitten haben. Abgesehen davon, dass die Flächen nicht mehr plan waren, hatten sich durch Fehlbedienung ("...mal versucht, kalt Kugellagerkugeln zu plätten...") einige Macken eingeschlagen. Ich habe daraufhin die Gesenke ausgebaut und planfräsen lassen. Nun hatte der gute Mann mir gesagt, dass sich die Gesenke haben fräsen lassen wie Butter. Die Probe mit der Feile war auch positiv (oder eben in diesem Fall negativ). Es ließen sich problemlos Späne abheben. Das bringt mich zu meiner Frage: Wie kommt das? Augenscheinlich waren die Gesenke nicht gehärtet. War oder ist das Usus? Ist es überhaupt ratsam die Gesenke härten zu lassen? Aus welchem Material könnten die Gesenke sein? 

Gruß,

Christian 
23. Februar 2016 um 23:59
Hallo Christian,

Gesenke sollten aus einem zähen warmarbeitsstahl sein und sind in der Regel durchaus wärmebehandelt. Als Stähle eignen sich z.B. 1.2714, welcher so auch von Angele als Gesenkstahl genutzt wird. 1.2379 wird glaube ich auch genutzt und lässt sich auch sehr hoch auf sekundärhärte anlassen.

Einige Dinge können passiert sein. Wenn unsachgemäßer Gebrauch öfter vorgekommen ist, hat vielleicht jemand auch mal ein dickes glühendes Stück auf dem Sattel gelassen, vielleicht sogar über einen langen Zeitraum. Dadurch könnte die Härte (oberflächlich) verloren gegangen sein.

Oder die Wärmebehandlung der Gesenke ist fehlerhaft durchgeführt worden (zu geringe haltezeit/temperaturen gerade bei höher legiertem zeug wie 1.2379). Naja oder die Gesenke sind einfach gar nicht wärmebehandelt worden, aus welchem Grund auch immer.

An deiner Stelle würde ich mal die Feilprobe rundherum machen, also auch am Boden. Als nächstes eine Funktenprobe, vielleicht gibt dir das aufschluss. Oder wenn du Unterlagen hast zu den Gesenken, dort nachfragen, Wärmebehandlung nochmal korrekt durchführen.

Viel Erfolg 
24. Februar 2016 um 05:27
Hallo aeglos, 

genau da liegt eben das Problem. Der Hammer ist aus den 1970er Jahren. Unterlagen gibt es original nicht. Das Modell wurde bis vor einigen Jahren bei AREF in dieser Weise fabriziert. Leider konnte ich noch keinen Kontakt herstellen, soll heißen keine Antowrt auf meine E-Mails. Ich schaue mal, was ich mit meinen Mitteln herausfinden kann. 
25. Februar 2016 um 06:57
So, gestern mal die Gesenke näher untersucht. Ließen sich rundherum gleich gut feilen. Aus Interesse Härteversuch unternommen. Erst unter der Annahme, dass es sich um 1.2714 handeln könnte. Also auf hellrot erwärmt und in Öl abgeschreckt. Härteannahme war gleich null. Zweiten Versuch mit orange bis gelb und Abschrecken in Wasser, siehe da, die Feile hinterlässt nur noch leichte Kratzer. Vom Gefühl meinen gehärteten C45 sehr ähnlich. Hätte ich nicht gedacht. Kann ich mir aber durchaus vorstellen, da wie gesagt UdSSR-Produkt. Vielleicht war damals Warmarbeitsstahl für den Export in die DDR einfach zu wertvoll. Wer weiß. 
25. Februar 2016 um 09:04
Hallo Christian,

ich hoffe du baust das Gesenk mit dem du herumprobiert hast wie es sich härten lässt nicht wieder zurück in deinen Hammer ein.
Gesenke die falsch Wärmebehandelt werden sind höchst Lebensgefährlich

An deiner Stelle würde ich mir von deinem Fräser Kumpel neue anfertigen lassen, von dennen du weißt aus welchem Stahl sie sind und diese einer Härterei übergeben!

Noch mal zur Erinnerung, dein Lufthammer schlägt mit 75kg ein paar 100mal die Minute auf ein heißes Eisen manchml sogar Gesenk auf Gesenk! Wenn da was bricht oder Splittert ist das kein Messerchen wovon du ne Schnittwunde in der Hand hast oder dir mal n Auge austichst. Nein, dass sind Teile die wie Granatensplitter durch deinen Körper jagen!
Sollte hier was passieren kommt nicht nur die BG in deine Werkstatt, du hast auch noch einen langen Besuch von der Kripo! Ganz zu schweigen von dem Fall das jemand anderem was passieren kann.

In einer Schmiede in der ich gearbeitet hab, in dem Fall möcht ich auf den Namen verzichten. Hat mir der Meister immer erklärt das die Gesenke das gefährlichste in der Schmiede sind, da Splitter immer auf Herzhöhe in den Körper eindringen. Und geht da mal was schief, dann biste halt tot.
Diese Worte hab ich etwa zwei Wochen lang zu hören bekommen. Bis er mir eines Morgens erzählte, dass Ihm ein Gesenk geplatzt ist. Der Splitter des Gesenks traf ihn ca. 1cm neben der Lunge. Woraufhin er sofort ins Krankenhaus musste um Notoperiert zu werden. 
Er war einige Wochen im Krankenhaus und die Produktion in der Schmiede wurde dank der Kriminalpolizei auch für mehrere Tage angehalten. (Die Jungs von der Kripo suchen in diesem Fall auch nach Waffen oder ähnlichem da er sich den Splitter ja auch über eine Grannate zuziehen hätte können)
Gott sei Dank, ging bei der Geschichte alles gut und er konnte sogar die Arbeit in der Schmiede wieder aufnehmen, wäre er aber beim arbeiten ein paar Millimeter weiter Rechts oder Links gestanden hätte die Geschichte für Ihn tötlich Enden können!
Manchmal ist es eben nicht nur können sondern auch n ganzer Batzen Glück der uns vor dem schlimmsten bewahrt!

Aus meiner Sicht gibt es bei Federhammer oder Lufthammergesenken keinen Spaß und auch keine Tolleranz! Die Teile müssen Top in Ordnung sein oder Fliegen auf den Schrott!

Viele Grüße aus dem Frankenland
Stück davon
Peter
Zuletzt bearbeitet: 25. Februar 2016 um 09:14, Peter Brunner
25. Februar 2016 um 10:24
Hallo Peter, 

wo Du recht hast ... Danke für den Ordnungsgong. Ich habe auch schon meinen Bekannten aktiviert. Der arbeit im Stahlwerk und kann mit seiner Röntgen-Laser-Dingens-Pistole die Werkstoffzusammensetzung testen. Dann geht das Ganze in die nahe Härterei. Neue Gesenke fräsen ist schwierig, da die aktuellen schon für die CNC-Fräse zu groß waren. Und alles von Hand fräsen lassen, da werden die ja aus Gold ;)
3. März 2016 um 17:10
So, die Ergebnisse sind da:

C    0,3...0,4%
Si   0,5%
Mn  0,6%
Cr   0,77%
Ni   1,75%
Mo  0,17%

Sieht nach nem Werkzeugstahl aus, laut Stahlwerker passt das recht gut auf den 1.6563.

Damit kann ich das ganze zur Härterei geben. Da kam jedoch die Frage, wie gehärtet werden soll (Randschicht oder komplett) und auf welche Oberflächenhärte angelassen werden soll. Hiervon habe nun relativ wenig Ahnung. Hat jemand einen Tipp hierzu?

Grüße,

Christian 
4. März 2016 um 13:35
Wie für die CNC-Fräse zu groß???

Ich kann über Beziehungen Frästeile in 4000x1200x1000 CNC-Fräsen lassen. Zu annehmbaren Preisen. Ist in einer Gesenkschmiede. Die machen ihre ganzen Gesenke selbst! Ist nicht irgendein Werkzeugmacher der von Schmiedegesenken keine Ahnung hat. Kannst dich ja gerne mal PN mit Zeichnungen melden!

Gruß

Oli
5. März 2016 um 14:01
Hallo Oli,
das ist natürlich ein geniales Angebot. Gesenkschmieden gibt es hier in der Nähe nicht wirklich und die Werkzeugschmieden verweigern irgendwie jegliche Zusammenarbeit mit Privatleuten. 
Ich würde aber trotzdem erstmal die alten härten lassen. 
Ich melde mich mal per PN bei dir. Vielen Dank!!!
4. April 2016 um 12:19
Hallo,

ich habe gerade versucht meine selbst gefrästen und geschliffenen Gesenke zu härten. Sie waren aus 1.2343 und 1.2379! Ich habe sie in Speiseöl abgeschreckt. Nachdem ich sie herausgenommen habe war noch alles gut aber nachdem sie eine Weile auf dem Tisch gestanden haben habe ich auf einmal tiefe Härterisse bekommen. Also Schrott....

Nachdem ich jetzt den Beitrag von Peter gelesen habe werde ich die Gesenke wohl lieber alle in die Tonne wandern lassen.
Viel zu gefährlich, wenn da der 75Kg Bär draufhaut!!!

Mal sehen was so eine Lohnhärterei dafür nimmt. Jetzt kommt aber die Frage, welche Härte sollte man für Gesenke anstreben? Ich dachte so an 55HRC. Oder meint Ihr das ist noch zu hart? Soll ja nichts abspringen können 
4. April 2016 um 14:23
Hallo effzwo,

Wie gesagt, Fa. Kuhn vergütet die Gesenke auf 54-56 HRC. Ich habe meine nun gänzlich ungehärtet gelassen, da sich letztendlich keine Härterei gefunden hat, die das durchführen kann.

aber nachdem sie eine Weile auf dem Tisch gestanden haben habe ich auf einmal tiefe Härterisse bekommen

Joa, bei deinen Stählen liegt die Martensit-Finish-Temperatur sehr weit unten, zumindest beim X153CrMoV12 bin ich mir da sicher. Da findet nach dem Abschrecken noch die Umwandlung bei Raumtemperatur statt -> weiter Spannungsaufbau -> irgendwann Risse. Deswegen ja bei 70°C mit dem Abschrecken stoppen und gleich anlassen. 
4. April 2016 um 14:50
Na super,

da habe ich jetzt eine menge teuern Schrott!!
Inzwischen habe ich aber bei einer Lohnhärterei angefragt, die machen das für 2,5€ pro Kilogramm. Allerdings bei Mindermengen mindestens 48€. Finde ich nach meinen letzten Erfahrungen nicht zu teuer. http://www.haertecenter.de/index.php?id=5&L=mkilexzbaw
4. April 2016 um 19:18
Hast Du AREF schon gefragt was neue Gesenke kosten?
http://www.aref.fr/IMG/pdf/MARTEAUX_75_1000kg_neufs.pdf

4. April 2016 um 20:09
AREf hat bisher auf keine meiner Mails geantwortet. Bei Angele waren die normalen Gesenke bis vor einiger zeit für 800€ +  MwSt drin. Das hat mich der ganze Hammer samt Fundament gekostet
4. April 2016 um 21:21
Was kam jetzt raus mit Fräsen und Härten?

Gruß

Oli