Und so fing alles an.......

28. April 2016 um 10:10
So.. um mal einigen einige Fragen zu beantworten, schreib ich mal wie das schmieden bei mir angefangen hat....

Ich komme gebürtig aus Emden (das wird später noch wichtig werden)..... Bei mir war das Interesse fürs Mittelalter schon immer recht ausgeprägt.. von der Legoburg bis zum Comic war da alles was sich mit der Thematik befaßt hat... Coole Leute die Stahl formen.. das hatte was. Durch eine Wette mit meinem Bruder habe ich überhaupt angefangen mich für Metallverarbeitung zu interessieren:
Ich blätterte grade durch ein Wikingerbuch (ich war so 14) und stellte fest: Son Kettenhemd ist ja eigentlich ganz einfach gemacht... Mein Bruder: Ha, dann bau dir doch eins, wenn du das hinbekommst finanziere ich dir das Material.. So ging dann alles los, los zum Stahlwarenladen, Weidezaundraht geholt... Dübelstangen, Draht wickeln.. den Seitenschneider meines Vaters schrotten.. neuen Seitenschneider und so weiter und sofort... nach etwa 1,5km Weidezaundraht... 4-5 Knipexseitenschneidern (man sollte sich den Bon aufbewahren fürs umtauschen).. war ein Kettenhemd fertig.. nach einem Jahr etwa.
Was macht man nun mit einem Kettenhemd?! Man erfährt das es Mittelalterveranstaltungen gibt.. und was braucht man da?! Noch ein Schwert!
Mein Vater ist eher Hobbybastler und so für den alltäglichen Krams ausgestattet ggf. schwerpunktmäßig .. Maurerarbeiten.
Also.. den 3 Kg Hammer vom Vater genommen... Ihn als Amboss genutzt und aus einem alten Heißwasserboiler mit nem Föhn und Kohlebriketts mit einer Wasserpumpenzange das "Schmieden" angefangen. Das ging leidlich gut.. Ich habe aber passenden Schrott gefunden der sich als Amboss eignete.. Das war von meinem zukünftigen Ausbildungsbetrieb, ausbebrannte DoppelT steine in 120mm höhe aus Hardoxstahl... Klingelte wie wild.. ging aber schonmal sehr viel besser als der Hammerkopf. Die Esse mit Brikett und Föhn brachte es dann auch auf.. rot bis Gelbglut.... und war sehr unpraktisch... (überhaupt ist das fertigen einer Esse aus Kupfer nicht die beste Wahl an Werkstoff...) Da ich keine Zangen hatte, bin ich dazu übergegangen den Stahl mit der Hand festzuhalten (das gab mächtig ärger, den Handschuh waren ja teuer!!)... und damit die Handschuhe kühler blieben hab ich sie immer schön ins Wasser getaucht (merke: Wasser ist ne tolle Wärmebrücke! (learning by burning)). Ein.. schwertähnlicher Gegenstand war fertig.. und sehr biegsam.. aber schonmal ... toll.
Ich gründete meine eigene Mittelaltergruppe (und war der Jüngste mit 16).. und irgendwie bin ich da beim Schmieden geblieben.. hatte ja den Krempel.... Das ging dann auch ne Weile so... Ich kaufte mir mein eigenes Baumarktwerkzeug.. und fragte mich ob das Schweißen wirklich so ne große Wissenschaft ist.. denn mein Baumarktelektrodenschweißgerät war nur eins.. ein Scheißgerät (es eignet sich aber perfekt zum zünden von Knallkörpern (soll ja keiner sagen das die dinger nutzlos sind)). Ich brutzelte und briet irgendwelche Sachen, wie Äxte, Beile und noch mehr zusammen und hatte damit nen relativen Erfolg.. der Kram hielt.. meistens.
Nun hatte ich Glück: Ich bin übers Internet auf einen ""Kunden"" getroffen, der mit mir Tauschhandel betreiben wollte in Sachen Mittelalter... Kleidung gegen Stahl (üblich bei den Mittelalterleuten) und der hat meinen Pfusch stumpf nicht abgenommen.. er meinte: Kannste besser.. noch mal!.. Hartes Brot, wahre Worte, und nötige.. und da hat sich meine bis dahin total verleidete Handschrift gebessert. Weiterhin bin ich nach Ribe in Dänemark ins Vikingecenter gekommen... mit Bekannten.. und die haben mich als Schmied angepriesen.. was ne Scheiße!! ... naja.. dann war ich auf einmal Urlaubsvertretung in der Schmiede... und habe gelernt... und gelernt... 10 tage nonstop Schmieden das müßte so mit 18-19 Jahren gewesen sein.
Zeitgleich hatte ich dann auch meine Lehre als Industriemechaniker angefangen... mein Ausbildungsmeister war sehr cool eingestellt.. wer sich für was auch immer in Sachen Metallverarbeitung interessierte.. wurde im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützt.. also.. durfte man auch in der Schleiferei, Formbau, Härterei, gern mal zugucken und die Altgesellen nerven. (Coolste Situation war: ich mit nem Bidenhänder am Bandschleifer.. in Vollschutz, und der ganze Vorstand stiefelte freundlich grüßend vorbei) Vom Werkzeugmacher und in der Härterei konnt ich viel lernen.. dann konnte ich endlich mit acetylen und Sauerstoff schmieden! Ja.. Stahl konnte schneller warm werden! Boah! Erste Dolche und Äxte wurden geschmiedet!
Aus Schrott, und nem alten Heizungslüfter konnt ich nun meine 1. Esse bauen... viel zu tief.. viel zu groß.. aber.. eine Esse.
Ein Amboss stand auch arm und allein in der Firma rum.. den wollt ich abkaufen.. der war aber wohl nem Altgesellen schon versprocohen... jedenfalls.. war der plötzlich verschwunden.. hier wurde mir kurzerhand ein neuer Amboss aus einer Hardoxplatte ausgebrannt :) ne nette Gehste... aber MEIN AMBOSS WAR WEG

Ich glaub ich hatte mir schon eine Wolfsmaulzange und Flachmaulzange gekauft.. das war ein Segen!
Denn: in Emden und Umgebung gab es KEINE schmieden mehr.. gar keine.. nichts... die einzige Dorfschmiede die es noch gab... Die wurde aufgelöst bzw. verkauft.. ich ging da nun  als junger Bengel hin, schilderte wie begeistert ich vom Schmieden bin.. und naja.. "nene.. das Ganze wird Museum und blabla" 2 Wochen später war die Schmiede leer... und ich noch um keine Zange reicher. (dieser Vorfall hat mir eins klar gemacht: Sei vor dem Schrotti da.. und frag um das was du willst.. kostet nichts.. wenns nachher alles weg ist ärgerst du dich schwarz)

So.. durch meinen Mittelalterverein kam ich dann endlich zu einem Amboss.. mein Norddeutscher mit Vorstauch.. ca 200kg.. ein SEEEEGEN... für 100DM

Meine Schmiede war lange Zeit unter dem Vordach meiner Eltern... (ok.. das Plastikdach hat sich etwas verformt.. und die Bodenplatten etwas gesenkt.. ... aber naja).... Nun habe ich mir meine 1. Schmiede gekauft! son Gartengerätehaus aus dem Baumarkt... mit der Abluft hatte ich schwer schwierigkeiten.. also.. wurd wieder Freiluft geschmiedet. Dann ist die Schmiede in eine alte Scheune umgezogen zu nem Kumpel...
Achja.. ich bin mit dem Bau meiner neuen Esse dann langsam auf Fettnußkohle umgestiegen.... nicht unbedingt zur Freude der Nachbarn..


Fortsetzung folgt




 



Es ist sinnlos zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es muss dir gelingen, das zu tun, was erforderlich ist.
Zuletzt bearbeitet: 28. April 2016 um 14:32
28. April 2016 um 14:51
Die Lehre war erfolgreich beendet (Jahrgangsbester im Einzugsbereich der IHK). Nun hatte ich das Glück in die Zweigfirma nach Bremen zu kommen. Geschmiedet habe ich weiterhin in Emden, bis ich meine eigene Feste Schmiede eingerichtet habe so mit 21... Das gab aber Stunk mit einer hypersensiblen Nachbarsfrau.. die hat jedem das Leben zur Hölle gemacht der Ihre Ruhe und Ihren Frieden irgendwie gestört hat.. vom Pferd bis zum Schrauber.. alle hatten Ihren Eintrag beim Ordnungsamt... Ich dann auch! Und den Schornsteinfeger hatte ich auch am Wickel.. zugegeben.. mir war schon bei der Installation meines Abzugs dessen... nicht ganz richtlinienkonforme Umsetzung bewußt.. aber.. man wollte ja Geld sparen..

Mit meinem Vermieter war alles abgeklärt (der befürwortete, würde ich behaupten, auch jegliches Ärgerniss gegen die Nachbarin).... also.. fertigte ich mir eine recht häßliche Abzugshaube.... und ein Lüftungsrohr wurde zwischen die Dachsparren geklemmt.. und fertig! Nach 15 min. Vorwärmzeit zog das Ding gut ab....  .... Bis der Schorni kam.. sehr zuvorkomment war.. aber leider auch keine Chance sah "DIESES KONSTRUKT" abzunehmen... nun denn... mußte ich eben Blech bearbeiten.. .. Kalt... nur um nochmal einen Standpunkt klar zu machen.. (baoh, die Frau ging ab wie ne Rakete!!)... Ich hab dann wieder in der Freiluftschmiede bei der Firma wo ich gearbeitet habe geschmiedet. Das war auch die Zeit wo ich dann einen 2. amboss vom schrott kaufte.. und meine Gesenkplatte... zusammen.. 230€ :) mit nem schönen Ringhorn noch oben drauf :) das waren schöne Zeiten...  Mein UHF kaufte ich da auch.. Timm gab mir den Tip.. und für 600€ war er mein.. nur leider kein Platz für Ihn..

So... generell nahm die Qualität sehr zu in der Zeit, ich arbeitete viel in Ribe in der Schmiede und auf historischen Veranstaltungen.. In der Zeit habe ich versuchsweise einen japanischen Kastenbalg und 3 Doppeblasebalgpaare gefertigt...  war in Ribe mit Timm öfters bei ner Verhüttung aktiv. Wir haben hier dann bei Projekten des Museums mitgemacht und u.a. ein Damastschwert in einer wikingerzeitlichen Schmiede nachgeschmiedet... etc. Das ging bis 2008 so.

2008 bin ich mit der Schmiede, und danach ich, nach Korbach gezogen.
Meine erste Schmiede! Mit festen Wänden!! unglaublich aber wahr! Hier in Korbach ist Schmiedeland, man muß nur die Augen offen halten.. Das tat ich.. hatte ja meine Lektion gelernt. 3 Jahre arbeitete ich in meiner 1. Schmiede... 45m².. Stampflehmboden.. und ein ehmaliges Schaufenster wo meine Schleiferei drin war... und mein UHF lief das 1. Mal.
2011 stolperte ich nun bei meiner jetzigen Schmiede vorbei.. die sehr viel näher an meinem Haus lag... und fragte mich: Warum ist die größere, schönere, dichtere Schmiede, nicht meine.... Es stand wieder ein Schmiedeumzug an...  Unerlässlich hier Bauern zu kennen die das nötige Umzugsgerät haben.. denn irgendwie sind mit den letzten Umzügen das Umzugsgut überproportional gestiegen.

Seitdem hätschel und tätschel ich meine Schmiede und baue sie schön um. Naja.. und Schmieden tu ich eben auch noch in Ihr.. Seit 2008 mach ich das nebengewerblich es wird nie zum Hauptgewerbe reichen... aber das muß es bei mir nicht.. ich seh mich ggf. als Brückenschläger für eine nächste Schmiedegeneration.. ich sorg nur dafür das das nicht vergessen wird.

So.. was will dieser Text sagen: 1. auch ich habe klein angefangen 2. auch ich habe viele Fehler begangen (oh.. die Bleidämpfe bei der einen Aktion waren nicht gut).... 3. vielleicht kommen einige jetzt auch zu der Einsicht das so ne Schmiedeausstattung VIEL ZEIT, Glück und Geld benötigen.. und man muß immer wieder Spaß an dem Ganzen haben...  Und wenn dann hier mal alte Hasen zu etwas was schreiben.. schreiben sie das oft auch aus eigener Erfahrung.... Man muß das Rad nicht ein 2. mal Erfinden..

Ich hoffe es hat Euch nicht zu sehr gelangweilt.
Es ist sinnlos zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es muss dir gelingen, das zu tun, was erforderlich ist.
Zuletzt bearbeitet: 28. April 2016 um 19:20
28. April 2016 um 16:12
Hallo Lutz,

für mich ist beim lesen Deiner Beiträge bisher noch keine Langeweile aufgekommen, gerade bei den letzten hab ich einige Gemeinsamkeiten zu meiner "Schmiedelaufbahn" gefunden.
Bei mir war allerdings einiges einfacher, mein Opa war selbstständiger Schmied und mein Vater ist Bauschlossermeister, auch Selbstständig bis zu seiner Rente im Nebenerwerb, danach "hauptberuflich" ,seit ca. 2 Jahren krankheitsbedingt im wohlverdienten Ruhestand.
Aber wenn ich an meine Grenzen komme ist er mit seinem reichen Erfahrungsschatz und sein ausgezeichneten Fachwissen immer noch mein Ratgeber, hoffentlich noch lange Zeit...
 
Schmieden lernt man am Amboß

29. April 2016 um 21:55
Kann mich da nur anschließen. Von dir lese ich immer gern.

Sehr schöne Geschichte, meine Schmiede ist derzeit ca. 4 Quadratmeter groß. Ich hoffe das ändert sich auch mal
Lehrling ist Jedermann, Geselle ist, wer was kann, Meister ist, wer etwas ersann
Zuletzt bearbeitet: 29. April 2016 um 21:56, Andreas
24. Juli 2016 um 14:44
Sehr coole Geschichte.

Befinde mich derzeit ebenfalls am Anfang und schmiede seit kanpp 9 Monaten und hab mir meine ganze Ausrüstung bei ebay Kleinanzeigen (ein Hoch auf den Online-Flohmarkt! Wo sonst bekommt man eine 80 Jahre alte voll funktionsfähige Tretesse für unter 80€? ^^) oder dem Schrotthändler zusammen gesammelt. Damit schlage ich mich auch bisher gut durch.
Ich konnte aber bisher alles sehr gut nachvollziehen, was du geschrieben hast. Der erste Versuch Eisen zu erhitzen in irgendeiner selbstgebastelten Möchtegernesse, das erste Mal schmieden mit passenden Zangen und endlich ein Dach über dem Kopf zu haben, um nicht mehr Wind und Wetter ausgesetzt zu sein. 
Aber ich glaube, wenn man sich selbst das Schmieden autodidakt beibringt gehören diese Anfänge auch irgendwie mit dazu, denn wenn man diese Hindernisse aus eigener Kraft dann endlich überwindet, ist das Erfolgserlebniss einfach so enorm, dass man niemals mehr freiwillig mit dem Schmieden aufhören möchte.