Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

10. September 2021 um 09:13
Grüße Freunde der Schärfe,

Ich habe einen Freund, welcher schon seit vielen Jahren den Bergbau und Mineralien als sein Hobby auserkoren hat.
Deshalb habe ich vor einigen Wochen beschlossen, ihm ein traditionelles Bergmannsmesser zu fertigen.
Der oder das Tscherper wurde von den Kumpels benutzt, um Reparaturen an Leitern oder Werkzeug vorzunehmen, Holzgebälk in der Grube zu inspizieren aber auch ihre Mahlzeit "über den Daumen" zu schneiden und zu essen. 

In den folgenden Bildern seht ihr das Resultat meines Beschlusses.

Die Klinge besteht aus einer alten Feile, in Öl gehärtet. Der Griff ist aus einer alten Eichen-Fassdaube entstanden und wurde mit Messingplättchen vorn und hinten abgeschlossen.
Der Erl ist durchgängig und wurde hinten vernietet. Kein Kleber, keine Stifte und keine Schrauben. Eben so, wie es unsere Vorfahren wohl am Ehesten angestellt hätten.
Das Ganze wurde dann geschliffen und poliert. Den Griff habe ich mit simplen Leinöl zwei, dreimal eingepinselt. 
Das Messer war, zumindest als ich es aus der Hand gegeben habe, rasierscharf. 
Die Scheide besteht aus einfachem, weichen Leder und wurde in Handarbeit genäht.

Danke für eure Zeit und lasst mich gern eure Meinung wissen. 20210624_171209.jpg20210624_171212.jpg20210624_171216.jpg20210624_171255.jpg20210624_171137.jpg
10. September 2021 um 11:32

Hallo Elias,

schönes Messer und einfach gehalten, eben der Grundidee angepasst. Eigentlich finde ich Feilenstahl für ein Messer als Monostahl nicht so gut, da sie einfach nur hart und daher lange schnitthaltig sind, was ja für diesen Gebrauch auch ausreichend ist, solange man nicht mit der Spitze irgendwo rein sticht und dann verkantet. Da hätte ich die Befürchtung, dass die Klingenspitze das einem übel nimmt und sich verabschiedet.

Hast du bei der Scheide an der Naht eine Zwischenlage eingelegt? Ich hoffe ja, da ansonsten die Naht an der Einengung von Klinge zum Griff auf kurz oder lang durchgeschnitten wird.

Alles in allem aber eine gute Arbeit. Weiter so !!!

Gruß Thomas

 

10. September 2021 um 11:39
Elias,

als professioneller Messerschmied gebe ich Dir mal meine Rückmeldung (keine Negativ-Kritik!):

Die Materialien sind prima. Feilenstahl ist bei passender Wärmehandlung ein Top-Material, der Griff ist aus interessantem Holz und sieht gut aus, alles passt. Ich kenne die Konstruktion eines traditionellen 'Tscherpers' nicht, daher kann ich nicht sagen, ob eine sog. Schleifkerbe an der Klingenwurzel vorhanden sein sollte. Sie macht das Nachschärfen leichter.

Die Klinge scheint eine deutliche Sekundärfase zu haben. Das ist bei handwerklich gefertigten, traditionellen Messern (Mittelalter und später) eher ungewöhnlich. Meist findet man einen Planschliff auf Null, aber das mag hier durchaus anders sein.

Bei der Lederscheide sehe ich noch Verbesserungsbedarf. Die Schneide der Klinge sollte nicht in der Faltung liegen, sondern auf der Nahtseite. Dort legt man einen Keder ein, der die Naht vor der scharfen Schneide schützt.

Die Naht zieht man in möglichst harmonischen, glatten Linien mit einem Rillenschneider/ Nahtversenker vor. Das sieht dann gleich professioneller aus, ohne viele Aufwand zu verursachen. Die Lochabstände kann man mit selbstgebautem Werkzeug recht gleichmäig gestalten. Nach dem Nähen schleift man den Umriss der Scheide auf der Nahtseite gleichmäßig ab und folgt dabei der Naht in gleichbleibendem Abstand. Das ist alles keine Mehrarbeit, sieht aber netter aus. 

Zur Imprägnierung des Holzes sollte man Leinölfirnis (Baumarkt) verwenden. Leinöl braucht viele Monate, um richtig zu polymerisieren (= auszuhärten).

Im Prinzip kann man die Qualität eines Messers nur im dauerhaften Gebrauch ermitteln. Wenn es tut, was es soll, ist alles gut!

Freundliche Grüße

Jean 
Zuletzt bearbeitet: 10. September 2021 um 11:45, Jean Collin
10. September 2021 um 11:50
Hallo Thomas,

Ich muss gestehen, ich habe bisher nur gute Erfahrungen mit Feilenstahl als Monostahl gemacht. Das kann natürlich auch daran liegen, dass ich die Klingen relativ lange anlasse (eventuell nicht ganz soo hart, wie andere Feilen-Klingen). 

Ein anderes Jagdmesser, welches ich noch vorhabe, zu posten, habe ich einem rigorosen Test unterzogen, vor allem auf die Klingenspitze bezogen und sie hat es weggesteckt, als wäre nichts gewesen.

Die Schneide des Messers liegt bei der Scheide in der Falte des Leders, nicht auf der Nahtseite, deshalb hoffe ich, dass die Scheide halten wird und keine Nacht aufgetrennt wird.

Danke für dein Feedback!  Es werden sicherlich noch einige Beiträge folgen - ich habe noch viele Projekte geplant. 


Gruß Elias 
10. September 2021 um 12:14
Hallo Jean,

Erst einmal bin ich dankbar für jede Art der Rückmeldung und mit negativer Kritik habe(musste) ich schon lange gelernt, umzugehen. Ändern kann man sowieso nichts mehr ;).

Zur Messer Form : die Tscherper, die ich gesehen habe, hatten eventuell eine etwas breitere Klinge, eine Schleifkerbe oder Fehlschärfe konnte ich bei keinem erkennen.
Auch was die Klinge angeht wusste ich ehrlich gesagt nicht, was wirklich historisch akkurat war bzw. ist. 
Ich habe das Messer eben so gefertigt, wie ich es am Besten gehalten habe.


Bei der Lederscheide sehe ich selbst noch Verbesserungsbedarf. Leider habe/hatte ich noch nicht wirklich die Gelegenheit einem lederverarbeitendem Handwerker über die Schulter zu schauen und an ordentlichem Leder-Werkzeug mangelt es auch (noch).

Ich wollte eben das Messer nicht blank auf die Hand überreichen, aber eine neue, bessere Scheide nachzuschenken sollte auch kein Problem darstellen.


Bis jetzt kamen keine Beschwerden, weshalb ich davon ausgehe, dass das Messer so funzt, wie es soll. 


Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar für deine Tipps und deine Ratschläge, die werden beim nächsten Messer definitiv berücksichtigt!

Grüße aus Thüringen

Elias 
10. September 2021 um 19:04
Der Erl ist durchgängig und wurde hinten vernietet. Kein Kleber,

Das finde ich schonmal gut.
Ansonsten ist es wohl für ein solides "Gebrauchsmesser" recht gut gelungen. Ob man Feilen oder Federstal für welches Messer nimmt muß man rausfinden. Für Klingen die "nur schneiden " soll geht ne Feile immer. Wenn man auch mal was gröberes und auch mal hebeln will wäre Federstahl besser.
Bei Feilen ist es allerdings so, daß nur sehr alte Feilen für Klingen gut geeignet sind, weil diese durchgängig aus gutem Stahl sind. Neuere Feilen werden einsatzgehärtet also ist nur die Oberfläche hart. Svoie dazu.
Ja Elias aber bei den Lederscheiden mußt Du wohl noch ne Weile üben.
Volker
10. September 2021 um 19:47
Hallo Volker,

Für ein Outdoor oder Haumesser würde ich auch einen Federstahl bevorzugen.
Das stimmt, ich mache auch bei jeder Feile, die ich verarbeiten, vorher eine Bruchprobe, um auf Nummer sicher zu gehen.

Ich bedecke mein Haupt mit Asche, mit Leder brauchts wohl noch ein paar Versuche.

Danke für deine Meinung!

Grüße aus Thüringen

Elias
10. September 2021 um 22:24
Gestattet mir zum Stahl noch ein paar Anmerkungen:

Alte Feilen sind nicht per se besser, aber es gibt heute (leider) viel mehr Billig-Feilen als früher, daher muss man genau schauen, was man da vor sich hat! Feine Metallfeilen sind bei guter Qualität (die kann man für alle Markenfeilen - GEMSE, HASE, PFERD, DICK, NICHOLSON usw. annehmen) aus 1.2008 und haben sehr hohen C-Gehalt. Das macht das Temperaturfenster für die Bearbeitung kleiner, aber den Stahl nicht unbedingt härter. Da liegt die Grenze bei ungefähr HRC 66 (Ansprunghärte). Diese Härte erreicht man aber ebenso mit einem (nahezu eutektischen) C75.

Besonderer Feilenstahl kann sogar einen Wolfram-Gehalt haben (manche GROBET-Feilen und andere), was man durch die Funkenprobe herausfinden muss.

Grobe Feilen sind traditionell meist aus 1.2002 mit ca. 1,25% C - ebenfalls ein tolles Material. Durch entsprechendes Anlassen kann man auch diese Feilenstähle bis zur Federeigenschaft herunterbringen. Das Gefüge ist jedoch bei 1.2008 meist noch etwas feiner. Das gilt vergleichsweise auch für 1.3505 (Kugellagerstahl).

Es gibt zahlreiche Federstähle, also nicht nur einen! Der Silicium-Anteil erhöht die Zähigkeit, die Elastizität wird durch das Anlassen eingestellt. Der Kohlenstoffgehalt liegt bei gebräuchlichen Federstählen wie 56Si7 bei ca. 0,6 %, und das reicht für eine Ansprunghärte von deutlich über 63 HRC aus! Bei entsprechendem Anlassen ist Federstahl für robuste Gebrauchsmesser, Holzbearbeitungswerkzeuge und Gartenwerkzeug prima geeignet. 
 
Was ich damit sagen will: Die Wärmebehandlung beeinflusst bei niedrig legierten Kohlenstoffstählen die Eigenschaften des Werkstücks mehr als das Ausgangsmaterial, mal von C-Stählen mit niedrigem C-Gehalt abgesehen. Aber schon C45 ist gar nicht so schlecht!

Bei der Werkzeugherstellung also das passende Material so verabeiten, dass das Gefüge möglichst fein bleibt. Dann mit der abgestimmten Wärmebehandlung kombinieren, und man bekommt Top-Eigenschaften!

Freundliche Grüße

Jean
Zuletzt bearbeitet: 10. September 2021 um 22:25, Jean Collin
11. September 2021 um 08:56
Hallo Jean,

Hochinteressantes Thema, diese Werkstofftechnik.
Die theoretischen Grundlagen sind mir zwar bekannt, allerdings habe ich leider weder die Mittel, noch die Zeit vor jedem Schmiedeprojekt, den Stahl genaustens zu testen.

Auch beim Härte-und Anlassprozess stehen mir keine Messgeräte o.ä zur Verfügung, zumindest noch nicht ;)

Ich mache eine Funkenprobe und danach gehts meistens schon los, bin halt etwas ungeduldig, das ist unglaublich.

Bisher hatte ich mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen immer gute Erfahrungen gemacht, abgesehen von meinen zwei missglückten "Schwertern". Wobei selbst bei diesen ein sehr schönes, gleichmäßig und relativ feines Gefüge vorhanden war.

Solange es hält, ist alles gut Hehe.
Aber später will ich definitiv mehr auf die Werkstofftechnik achten/eingehen, vor allem, wenn es an Damast o.ä geht!

Grüße aus dem schönen Thüringen

Elias 
12. September 2021 um 10:37
Hallo zusammen!
Ja genau - hochinteressantes und unausweichliches Thema für Leute die gute Werkzeuge schmieden wollen.
Elias ich verstehe Deine Antwort an Jean nicht so richtig.
Er hat doch gar nicht von Dir verlangt irgend einen aufwändigen Prozess durchzuführen - das bleibt ja Dir überlassen wie Du zum Ziel kommst. Aber er hat doch in gut verständlicher Form einige theoretische aber doch sehr praxisnahe Hinweise zusammengefasst die verdeutlichen welche Rolle eine gute Wärmebehandlung spielt. Die genaue praktische Vorgehensweise hat er ja offengelassen.
Aber auch dazu gibt es Tipps wie man, ohne den Stahl exakt zu kennen, gute Ergebnisse erreichen kann. Und diese Möglichkeit hat Jean meiner Meinung nach nicht ausgeschlossen. (Ist ja bei der Verwendung alter Feilen naheliegend, dass der Stahl eben nur so ungefähr bekannt ist.)
Ich bin Jean jedenfalls dankbar dafür, dass er seine Erfahrungen mit uns teilt - danke!
Was ich aber nicht verstehe, Jean, wieso ist das Gefüge bei 1.2008 tendenziell feiner als bei 1.2002? Ich wäre davon ausgegangen, dass (bei übereutektoiden Stählen) je mehr Kohlenstoff und je mehr Chrom desto höher die Gefahr der Bildung grober Karbide, die erst wieder durch entsprechende (etwas aufwändigere) Wärmebehandlung gelöst werden können.
Das "Problem" schätzte ich bei dem Kugellagerstahl mit noch mehr Chrom (ist ja nicht wirklich viel - zählt ja noch zu den niedriglegierten Stählen) dann tendenziell noch höher ein.
Ist davon auszugehen, dass ein 1.2008 vorab sogfältiger verarbeitet wurde? Macht man das als relativ unerfahrener/unfähiger Schmied beim schmieden nicht sehr leicht kaputt? Ich denke in diese Richtung geht Dein Hinweis "...Material so verabeiten, dass das Gefüge möglichst fein bleibt."?
Gruß Sascha
Es ist besser ein kleines Schmiedefeuer anzuzünden als die Dunkelheit zu verfluchen!
12. September 2021 um 18:09
Genau, Sascha,

Du hast mich verstanden! Vielleicht habe ich mich aber auch nicht präzise genug für Elias ausgedrückt!

Ein feines Gefüge kann bei Kohlenstoffstählen durch die Bearbeitung und die Wärmebehandlung eingestellt werden. Bei höher legierten Stählen, die harte Sonder-Carbide enthalten, ist die Matrix weniger wichtig, weil die großen Carbide bei den Schneidwerkzeugen eine Art robuster "Säge" an der Schneide bilden. Bei niedrig legierten Stählen - auch bei hohem C-Gehalt - hast Du ja nur relativ feine Eisencarbide, die eben auch eine feine, potentiell sehr scharfe Schneide ermöglichen. 

Das sorgfältige Schmieden ist bei C-Stählen das A und O, und das gilt besonders für Messerklingen. Wenn man eine Klinge nicht "an die Endform" schmiedet, verschenkt man Leistungspotential, denn das Ausschmieden einer feinen Schneide (bis herab zu 0,5 mm) sorgt durch die Zertrümmerung der größeren Moleküle mit dem Hammer für ein feines Gefüge. Durch die richtige Wärmebehandlung kann man das Gefüge erhalten und vielleicht noch verbessern. 

Ein gutes Gefüge erzielt man, indem man das Werkstück sofort beschmiedet, wenn man es aus dem Feuer nimmt; das sollte blitzschnell erfolgen. Jede Erwärmung ohne sofortige Bearbeitung fördert das Kornwachstum!  

Man sieht oft bei Anfängern, dass sie das warme Werkstück aus der Esse nehmen, es genau anschauen und die Bearbeitung überlegen, dann den Hammer suchen, und dann erst mit dem Schmieden beginnen! Da hat der Stahl viel Zeit, um Kristalle zu bilden! 

In Videos (die ja eigentlich hilfreiche Informationen vermitteln sollen) sieht man manchmal, dass Hobby-Schmiede ein Stück Stahl plattklopfen, dann mit der Flex eine Spitze zurechtschneiden, und darauf die Form der Klinge nur noch schleifen. Auch dabei wird natürlich eine Menge Potential des Stahls verschenkt! Und das kann man dann auch nicht Schmieden nennen!

Håvard Bergland, der norwegische Meisterschmied, legte immer Wert darauf, dass beim Messerschmieden auch der Verlauf der Schneide mit dem Hammer geformt wurde, um das Gefüge fein zu halten! Also auch ruhig mal (dezent) auf die Schneide kloppen und dann wieder ausschmieden!

Bei Feilen - um darauf zurückzukommen - brauchen die feineren Versionen naturgemäß ein ganz feines Gefüge, um einen entsprechenden Hieb anbringen zu können. Da muss das Weichglühen ebenso sorgfältig erfolgen wie das Härten! Der geringe Gehalt an Legierungselementen stört da nicht, und der Chromgehalt dient nicht der Erzeugung von harten Chromcarbiden, sondern in den geringen Mengen verbessert er die Kornfeinheit. Daher verwende ich für viele meiner Klingen einen C75, der zusätzlich eine geringe Menge Chrom enthält. 

Prinzipiell ist es aber richtig, dass ein hoch C-haltiger Stahl zur Grobkornbildung neigt, wenn er nicht sorgfältig bearbeitet und wärmebehandelt wird. Nichts für Anfänger, auch wegen des sehr kleinen Temperaturfensters bei der Bearbeitung!

In der Industrie wird ja zwischen 1.3505, 100Cr6 und Kugellagerstahl unterschieden, obwohl alle die gleiche Zusammensetzung haben. Neben der Reinheit bei der Herstellung ist auch die Verarbeitung ein Faktor für die homogene Stahlqualität.

Wenn man gleichbleibend gute Qualität bei seinen Schneidwerkzeugen haben möchte, sollte man die Zusammensetzung des verwendeten Stahls weitgehend kennen. Erfolgen dann alle Bearbeitungsverfahren routiniert und gleichförmig/wiederholbar, kann man auch mal ein paar Probestücke härten und zerbrechen, um das Gefüge zu untersuchen. Das ist immer der letzte Nachweis für ordentliche Produktionsqualität.

Freundliche Grüße

Jean


Zuletzt bearbeitet: 12. September 2021 um 18:12, Jean Collin
14. September 2021 um 06:18
Hallo Sascha,

Dann habe ich Jeans Antwort eventuell falsch verstanden :) 


Gruß

Elias 
14. September 2021 um 06:42
Hallo Jean,

Das Ausschmieden bis zur fast Endform ist auch immer mein Ziel bei Messern etc.
Wenn ich mich nicht irre hat das auch etwas mit dem Faserverlauf im Stahl zu tun.

Was mich in naher Zukunft noch mehr beschäftigen könnte und wird wäre Kugellagerstahl, da sich mir eine mehr als reichliche Quelle ergeben hat. 
Könnte ich einfach so aus KL-Stahl eine Klinge schmieden oder müsste ich diesen zusammen mit einem C-haltigerem Stahl verbinden? 
 
Achso, erhitzt du eigentlich deine Werkstücke in Kohle oder Gas und warum? (Thema Aufkohlung des Stahl, Abbrand, Zunder, C-Gehalt Verlust) 

Danke für deine hochinteressanten und ausführlichen Antworten! 


Thüringen grüßt den Rest der Welt 

Elias 

16. September 2021 um 18:46
Guten Abend, Elias!

Deine letzte Frage zuerst: Ich habe eine einfache Schmiedeesse für mineralische Schmiedekohle. Sie ist einfach zu bedienen, mein Gebläse ist ganz leise (große Leistung, durch FU mit geringer Drehzahl gut zu steuern), die Werkstücke werden schnell warm. Die Aufkohlung ist genauso wenig ein Thema für mich wie Abbrand. Beides passiert in geringem Umfang, und meist hängt es mehr davon ab, wie man das Werkstück in Feuer platziert. Wenn man die Regel befolgt 'Kohle unter und über dem Werkstück', ist das kein wirkliches Problem. Wenn man das Werkstück ganz tief in der Feuerschale hat, passiert das Gleiche, wie wenn man es oben auf die Kohle legt: Es gibt viel Abbrand/Zunder.

Randentkohlung gibt es auch immer ein wenig. Kann man schnell und gezielt schmieden und die angestrebte Form mit wenigen Hitzen erreichen, ist es halt besser. Das ist dann der Unterschied zwischen Profi und Amateur! 

Kugellagerstahl: Hast Du mal auf das Datenblatt geschaut?

STAHL 1.3505 /100Cr6

Elemente        C      Cr     Mn      Si     Mo    
ca.                1,0   1,5    0,35    0,25   0,1


Da bleiben eigentlich keine Wünsche mehr offen! Vom C-Gehalt her leicht übereutektoid, das Chrom bewirkt eine Gefügerverfeinerung, Mangan bewirkt eine bessere Einhärtung. 

Ganz sicher ist eine Kombination mit z.B. Feilenstahl nicht nötig, und mehr Ansprunghärte braucht man wirklich nicht. Aber natürlich kann man Damast auch mit Feile, Kugellager und 1.2562 machen! Viel Spaß dabei! 

Der Faserverlauf ist eine Größe, die zwar existiert, aber sie wirkt sich nur im Grenzbereich der max. Belastung aus. Mit anderen Worten: Ein sorgfältig geschmiedetes Werkstück mit angepasster Wärmebehandlung wird ein klein wenig später brechen als eines, das spanabhebend mit ansonsten gleicher Wärmebehandlung hergestellt wurde - theoretisch

Wer nimmt sein Messer schon so hart ran? Andererseits ist es vielleicht ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man dem Stahl die bestmögliche Behandlung angedeihen ließ!  

Freundliche Grüße

Jean
18. September 2021 um 17:16
Hallo Jean,

Danke für deine Erklärung was das Thema Kohleesse angeht. Ich schmiede selbst noch mit Propangas, will aber sobald, wie möglich wieder auf Kohle umsteigen.


Dann habe ich mich richtig erinnert, dass Kugellagerstahl ein tolles Zeug ist! :)
An Damast habe ich mich noch nicht versucht, dazu muss meine Esse noch ein wenig umgebaut werden. Steht aber definitiv noch auf der Liste! Feilen und Kugellager habe ich dann mehr als genug ;)

Verstehe. Und bei uns in der Berufsschule wurde immer so ein Wind um Faserverlauf und die Überlegenheit geschmiedeter Teile gemacht....

Ich versuche immer, das Beste, mir mögliche aus einem Stahl herauszuholen. Ganz nach dem Motto : Besser viel haben als brauchen.

Gruß 

Elias