Eisen ,Reineisen, Baustahl

9. Dezember 2012 um 17:52
Hallo wenn es ums Holz geht bin ich echt Fit aber beim Eisen steh ich am Bahnhof 

Welcher Unterschied ist zb zwischen Thorstahl (Baustahl) und normaler Eisenware die im Metalhandel in Profielen und so Verkauft wird ????


Was ist Reineisen ??? ( habe den Begriff einmal in verbindung mit Damast gehört)      
10. Dezember 2012 um 00:17
Also über jede Stahlsorte kann man eine Doktorarbeit verfassen... Das Ursprungsmaterial für Schmiede war Schmiedeeisen (engl.: wrought iron), das in Rennfeuern gewonnen wurde. Heute wird es nur noch von Liebhabern in kleinen Mengen produziert und verwendet. Dazu kannst du dir mal dieses Video ansehen. Schmiedeeisen enthält nur ganz ganz wenig Kohlenstoff (wenige hundertstel Prozent) aber viele Unreinheiten wie Schlacke von der Entstehung (daher rostet es erst nach 300 Jahren). Du kannst ihn an einem Schichtmuster erkennen, da er ähnlich wie Damaststahl gefaltet wird. Heute hat man die Möglichkeit Reineisen (engl.: pure iron) in Hüttenwerken herzustellen, das ebenfalls keinen Kohlenstoff enthält aber auch so gut wie keine Unreinheiten. Reineisen ist das weichste und reinste Eisenerzeugnis. Da es aber aufwendig herzustellen ist, ist Reineisen auch sehr teuer. Reineisen wird meist nur für Kunstschmiedeobjekte verwendet, die eine besondere Bruchsicherheit und Verformbarkeit erfordern oder in Damastpaketen. Fügt man reinem Eisen zusätzlich Stoffe wie Kohlenstoff hinzu, erhält man Stahl. Das gängigste Material heute ist Baustahl (engl.: mild steel/structure steel), er enthält um die 0,25% Kohlenstoff und ist nicht härtbar. Gängige Baustähle sind SC37 und S235JR. Daraus sind auch die meisten Stahlprofile, die man für den Haus- und Gerüstbau verwendet. Je nach Güte enthält er unterschiedliche Mengen von Unreinheiten wie Schwefel und Phosphor. Baustahl würdest du also für allerlei Kunstschmiedearbeiten und Werkzeuge wie Zangen, die nicht gehärtet werden müssen, bevorzugt verwenden. Ab einem Kohlenstoffgehalt von über 0,35% ist Stahl härtbar. Das geht dann bis zu einem Gehalt von 1,2%. Für Schlagwerkzeuge wie Hämmer würdest du Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von ~0,45% (C45 Stahl) und für Meißel und Punzen ~C60. Für Messerklingen etc. dann ab C60 aufwärts, je nach Bedarf. Stahl, der nur Kohlenstoff als Legierung hat nennt man auch Kohlenstoffstahl. Es gibt aber auch höher legierte Stähle, die nochmal ganz andere Eigenschaften aufweisen, die zum Teil auch sehr speziell werden. Ein Bespiel für einen gängigen Stahl, der noch mit Silizium legiert ist Federstahl, wie in Autofedern verwendet wird. Er ist bestens für Punzen, Meißel, Messer, etc. geeignet! Damit Werkzeugstahl seine Eigenschaften entfalten kann, bedarf er der sogenannten Vergütung, die bei jedem Stahl unterschiedlich ist (Normalisieren, Härten, Anlassen). Sonst gibt es noch sehr exotische Stähle wie Wootz, der aus Schmiedeeisen und Kohlenstaub teilweise sehr alchemistisch gewonnen wird und das eigentliche Ausgangsmaterial für Damaszenerstahl ist. Er kann bis zu 1,5% Kohlenstoff enthalten, ohne brüchig zu sein. Was heute gängig als Damast bezeichnet wird ist eigentlich ein sogenannter Schweißverbundstahl und kann aus allen möglichen verschiedenen Stählen bestehen. Das ist jetzt sehr kurz gefasst. Es gibt ein Büchlein, dass sich "Kleiner Stahlschlüssel" nennt, in dem so gut wie alles, was du darüber wissen musst steht.
Zuletzt bearbeitet: 10. Dezember 2012 um 00:19, Daniel Lea
10. Dezember 2012 um 11:39
@Burgschmied: Suuuper erklärtDem kann ich nichts hinzufügen

Gruß,

DerSchlosser
Ein Hoch dem ehrbaren Schmiedehandwerk!
10. Dezember 2012 um 11:53
Moin Daniel,
danke für deinen schönen Text. Ich erlaube mir mal einige kleine Ungenauigkeiten anzusprechen:
Als Schmiedeeisen wurde zunächst mal jedes schmiedbare Eisen bezeichnet, in Abgrenzung zu Gußeisen.
Dabei spielte es keine Rolle ob es Renneisen, gefrischtes Eisen, oder Puddeleisen war, auschlaggebend war die Bearbeitbarkeit mit Hammer und Amboß.
Mit nichten hat Schmiedeeisen jedoch nur ganz wenig Kohlenstoff, es kann (je nach Herstellungsverfahren) die gesamte Bandbreite von  0,01 und 2,06% C haben. Die Abgrenzung Eisen/Stahl wurde früher durch die Härtbarkeit festgemacht, härtbar = Stahl. Ergo wäre klassisches Schmiedeeisen ein Vor- bis Frühindustrieller Eisenwerkstoff mit 0,01-0,35% C.
Heute wird jeder kohlenstofflegierte Eisenwerkstoff  0,01 und 2,06% als Stahl bezeichnet. Wikipedia liefert einen brauchbaren Überblick (wenn auch mit kleinen Ungenauigkeiten im Detail) Klick
Die Rostträgkeit von Schmiedeeisen rührt meines Wissens übrigens primar aus Phosphoranteilen her, sicherlich hält es sich aber nicht an irgendwelche 300jahresregeln
Stahl ist ansonsten natürlich auch über 1,2%C härtbar, genauso wie Tigelgussstahl (Wootz) auch bis zu 2%C erreichen kann (ich meine sogar irgendwo was von bis zu 2,2%C gelesen zu haben) .
Beim  Normalisieren, Härten, Anlassen, etc. spricht man von Wärmebehandlung. Vergüten bezeichnet in der Regel ein Härten und Anlassen bei recht hohen Temperaturen um vor allem einen Zähigkeitsgewinn zu erzielen. Blattfedern vergütet man z.B., ein Messer hingegen unterzieht man einer Wärmebehandlung , wobei das Vergüten auch eine Wärmebehandlung ist...  ;)

Hier noch ein netter Film mit 40er-Charm, der aber so einiges über die Stahlgeschichte vermittelt (halt bis zum Stand von 1946), wenn auch Dinge wie das Frischen und das Puddelverfahren nur angerissen werden und die Kostüme drollig sind. Klick

Gruß,
Timm
10. Dezember 2012 um 14:09
Danke Timm für diesen Anhang. Ich denke einiges ist auch Auslegungssache, was man jetzt als Schmiedeeisen etc. bezeichnet. So extrem wichtig sind Kleinigkeiten für die Praxis des Schmieds auch gar nicht. Wenn man mal überlegt nutzt ein gewöhnlicher Schmied maximal fünf Arten Stahl und Eisen. Bei Messerschmieden ist das schon mehr und spezifischer...
10. Dezember 2012 um 15:20
.... während Renneisen aus Erzen entsteht, die einen gewissen Phosphorgehalt aufweisen, da sich "phosphor haltiges Eisen" nicht mit Kohlenstoff anreichern lässt. Andere Erze die so gut wie kein oder gar kein Phosphor enthalten, im Rennofen zu "Rennstahl" reduziert werden können.  Beide Materialien werden dann so lange ausgeheizt und gefaltet, bis sie ziemlich homogen sind. Dabei wird das Material von der Schlacke und von den Verunreinigungen getrennt.

Nach etlichen Faltungen kann dann das Eisen mit dem Stahl immer wieder gefaltet und verschweisst werden. Auf diese Art und weise wird dann der sogenannte "Wurmbunte" hergestellt werden. Der Urvater des heutigen Damasts. ......

 
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10. Dezember 2012 um 15:47
Moin Ingo,
ich verstehe deinen Text irgendwie nicht so recht...
Phorphorhaltiges Renneisen nimmt in der Tat schlechter Kohlenstoff auf, die Aufnahme wird aber nicht vollständig unterbunden.
Hier ein Bild von einer im Aristoteles-Ofen aufgekohlten Phosphorluppe: vorher / nachher

Gruß,
Timm
10. Dezember 2012 um 19:28
Danke eimal für die Umfangreiche und Übersichtliche erläuterung .