Rasiermesser 18. Jahrhundert

5. Februar 2016 um 20:18
Hi Leute, hier wieder eine äußerst interessante Auftragsarbeit. Dieses Rasiermesser ist eine Nachbildung eines Messers aus dem 18. Jahrhundert.

 

Normalerweise leite ich Anfragen zu Rasiermessern prinzipiell an meinen Kumpel und Kollegen Ulrik Beyer (Koraat Knives) weiter. Diesen Auftrag habe ich dann aber in Absprache mit Ihm angenommen.

Vor einiger Zeit hatte ich das Glück einige uralte handgeschmiedete Werkzeuge zu bekommen. Morphologisch habe ich die auf die Mitte des 18. Jahrhundert datiert. Wie sich herrausstellte, waren einige Teile dieser Werkzeuge aus einem sehr fein raffinierten und hoch kohlenstoffhaltigen Stahl. Es handelte sich definitiv um einen Gärbstahl und nicht um einen späteren Puddelstahl.

Aufgrund der hohen Qualität des Materials gehe ich davon aus, dass es sich um sog. Scharsachstahl, vielleicht sogar um Münzstahl handelt. Nun habe ich einem Teil des Stahls dieser stark korrodierten und nicht mehr brauchbaren Werkzeuge ein neues Leben eingehaucht;-)

Aufgrund der starken Korrosion habe ich den Stahl erstmal ausgeschmiedet und noch einige Male gefaltet. Ich wollte in jedem Fall Fehlstellen vermeiden.

Das so entstandene Rasiermesser habe ich zwar mit Hilfe moderner Werkzeuge hergestellt, die Oberflächen habe ich aber vollständig mit historisch korrekten Werkzeugen bearbeitet (Feile, Schabmesser, Sandstein, Leder mit Polierpaste aus feinem Sandsteinabrieb und Wollwachs). Die Griffschalen sind aus Bein (Mittelfußknochen vom Rind).

Die Klinge ist, wie bei diesen frühen Messern üblich, nur ganz leicht hohl geschliffen. Der Hohlschliff hat einen Radius von ca. 150mm.

Auf der einen Seite habe ich die original Schmiedemarke nachgearbeitet. Auf der anderen Seite habe ich auf Kundenwunsch meine Schmiedemarke eingeschlagen.

Ich bin eigentlich kein Freund vom Rasieren mit dem Messer. Ist mir einfach zu kratzig. Dachte ich. Aber dieses Messer ist wirklich angenehm. Gar kein Vergleich zu meinem alten solinger Dovo. Vielleicht muss ich meine Meinung dazu revidieren und mir selber mal so ein Messer machen;-)

Viel Spaß beim Gucken...

 

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Wer sich verbrennt, beherrscht das Spiel mit dem Feuer nicht!
5. Februar 2016 um 21:02
Hallo Jannis,

eine super Arbeit. Aber das
Aufgrund der hohen Qualität des Materials gehe ich davon aus, dass es sich um sog. Scharsachstahl, vielleicht sogar um Münzstahl handelt.

kenne ich noch nicht. Raffenierstehl, Gärbstahl und Puddeleisen kenne ich nun und auch dessen unterschiede bzw. herstellungsweisen. Bitte um etwas aufklährung.

Der pit03.
5. Februar 2016 um 22:42
Hi Pit,

ich berufe mich da auf eine Quelle aus dem 18. Jahrhundert. Zu jener Zeit wurden zwei Ofentypen für die Verhüttung verwendet. Der Floßofen, bei dem ausschließlich Gusseisen produziert wurde, und der Stückofen, bei dem eine zentrale hoch gekohlte Luppe und zusätzlich Gusseisen produziert wurden. Das Material wurde im nächsten Schritt durch einen Frischofen gegeben. Die so erzeugte niedriger gekohlte Luppe wurde unter Schwanzhämmern zu Flachmaterial ausgeschmiedet, in regelmäßigen Abständen eingekerbt, gehärtet und dann zerbrochen. Anhand der Bruchfläche wurden die Stücke sortiert und dann wurden mehrere der Stücke gleicher Qualität zu Garben (daher Gärbstahl) zusammengepackt und feuerverschweißt. Dieser Schritt wurde nochmal wiederholt. Das Resultat waren Gerbstähle unterschiedlicher Qualität. Sie konnten sich sowohl im Kohlenstoffgehalt als auch im Raffinationsgrad unterscheiden. Die höchste hergestellte Qualität wurde Münzstahl genannt. Der hatte zwischen 0,9 und 1,0% Kohlenstoff und war sehr fein ausraffinierte. Die zweitbeste Qualität war der Scharsachstahl. Gleicher Kohlenstoffgehalt aber nicht so fein ausraffiniert.

Gruß Jannis

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Wer sich verbrennt, beherrscht das Spiel mit dem Feuer nicht!
Zuletzt bearbeitet: 6. Februar 2016 um 17:54, Jannis Scholz
5. Februar 2016 um 23:31
Hallo Jannis

Saubere Arbeit mit historischen Wurzeln .Aber benutzen würde ich so ein Messer nicht .Hab es einmal probiert sah danach wie eine Comicfigur aus, über all kleine Pflaster.Ich hoffe der Besitzer hat viel Freude daran.

Gruss der Didi
6. Februar 2016 um 17:42
Die so erzeugte niedriger gekohlte Luppe wurde unter Fallhämmern zu Flachmaterial ausgeschmiedet

das waren wohl eher sogenannte Schwanzhämmer    hammerschmiede.jpg

(Besserwissermodus wieder aus)

Gruß DerSchlosser
Ein Hoch dem ehrbaren Schmiedehandwerk!
6. Februar 2016 um 17:53
Richtig, verschrieben. Gleich geändert;-)

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Wer sich verbrennt, beherrscht das Spiel mit dem Feuer nicht!
6. Februar 2016 um 20:57
Hallo Jannis,

eine tolle Arbeit von Dir. Sehr schön ist auch Deine historische Erklärung zu dem Material. Da lernt man richtig noch etwas.

Weiter so!

Grüße
Folgt PARX auf Instagram https://www.instagram.com/parxforging/
25. Februar 2016 um 16:04

Hallo,

sehr schöne Arbeit.

Ist es bei den 18. Jahrhundert Modellen typisch dass die Angel nicht ausgeprägt ist?

Beim rasieren würde mir das doch fehlen denk ich. Oder macht das beim handling keine Probleme?   

Gruß

Martin

18. April 2017 um 08:42

Richtig schöne Arbeit und sehr interessant, da mir bis dato nur "modernere Messer" bekannt waren, die über einen ausgeprägten Hohlschliff verfügen.

Könntest du vllt noch ein paar Angaben zu den Maßen des Messers machen?

Wan ich das Schwert tue aufheben
wünsch ich dem Sünder das ewig Leben