Herkules Hessenmüller und Söhne

21. Januar 2021 um 20:34

Hallo Zusammen,
Erster Post kurze Vorstellung meinerseits, bin Lukas 32 aus BW beruflich in der Kunststoffindustrie (Bürojob), von jeher aber am Handwerk interessiert und das bildet quasi den Ausgleich zum Alltag. Die ersten Gehversuche zum Schmieden habe ich vor ~ 8 Jahren gemacht und mit Unterbrechungen immer mal wieder was fabriziert, Pfeilspitzen fürs Bogenschießen, paar Kleinigkeiten hpts. Messer. Dann mit Kindern und Haus, Job lagen Hobbys ne Weile auf Eis und mit Corona gings langsam wieder ran nen kleinen Bereich in der Garage zum Schmieden herzurichten. Das bringt mich zum eigentlichen Thema. Bin an nen Lufthammer drangelaufen und übers Informationen zusammensuchen hier im Forum gelandet.
Der Hammer ist einer von Hessenmüller und Söhne, Bärgewicht ~30Kg.
Der Kollege stand bei einem ehemaligen Nachbarn, dessen Vater Schmied war und über ein paar Ecken auch noch verwandt ist. Gehämmert hat er vmtl. ein paar Jahrzehnte nicht. Dort lief er über Transmission, hier ein Bild beim Ausbau:

Herkules.jpg

Mittlerweile ist er mit einem Fundament versehen und ein Elektromotor treibt über das alte Rad den Hammer an (Brauchte ein paar Versuche/Elektromotoren ggf. muss aber nochmal optimiert werden). Die Ölpumpe ist neu abgedichtet und die Leitungen sauber gemacht. Gelaufen ist er auch schon. Aus der Bärführung unten spürt man nen deutlichen Luftzug, daher (und aus Interesse wie es Innen aussieht) hab ich mal weiter auseinander geschraubt.
Zwei Punkte sind aufgefallen, bei denen ich mir unschlüssig bin wie problematisch das Ganze ist:
1) Am Bär selber gibt es keine Dichtringe lediglich die Aussparungen. Soweit ich fündig geworden bin werden hier Koblenringe aus Metall verbaut. Habe hier im Forum aber auch gelesen das Beche wohl auch Modelle hatte die ohne Kolbenringe auskamen und nur Ölnuten eingebracht waren. Wäre das auch hier denkbar? Kolbenringe in der Dimension (D~165mm) habe ich über Google bislang nicht gefunden.

Baer.png
2) In der unteren Bärführung sind keine Dichtungen verbaut oder vorgesehen. Dafür starke Fressspuren von einem Gesenk das wohl mal nicht ausgerichtet oder zu groß war.

Untere_Fuehrung.png

Was haltet ihr von dem „Schaden" grundsätzlich fallen mir hier folgende Möglichkeiten ein:
a) Neue Platte fertigen und evtl. die Fraßstellen in der Führung aufschweißen und nacharbeiten (Mit Guß schweißen ist das aber sone Sache, meine Werkzeugmacher sind nicht so angetan davon)
b) Bereich ringsum auschneiden und eine passende Hülse einsetzten + neue Führungsplatte
c) Komplett neue Bärführung bauen (lassen), ggf. mit einer Dichtnut bspw. wie bei nem Beche?
d) Ignorieren und so lassen wie es ist
Die Laufflächen im Hauptkörper vom Bär als auch vom Luftzylinder sehen recht gut aus.

Über Anregungen, Diskussion würde ich mich freuen.
Beste Grüße
Lukas

Zuletzt bearbeitet: 21. Januar 2021 um 20:49, Lukas Rath
22. Januar 2021 um 11:46

Hallo Lukas,

Erst mal Willkommen im Forum! Ein schönes Hämmerchen hast Du da organisiert. Ich vermute mal zum Schnäppchenpreis?

Leider kann ich Dir zu Deinen Fragen keine fachliche Beratung geben, aber es gibt hier im Forum einige "Lufthammerspezis".

Viele Schmiedegrüße,

DerSchlosser

Ein Hoch dem ehrbaren Schmiedehandwerk!
22. Januar 2021 um 18:18
Hallo,

meinen absoluten Glückwunsch zu dieser technisch sehr ausgefeilten, und dazu auch noch absolut seltenen Maschine! Ein Leckerbissen bei den Hämmern von Hessenmüller & Söhne ist ja der Luftschieber, welcher mit Kolbenringen abgedichtet ist. Zwar gibt es bei Lufthämmern generell an diesem Bauteil, gute Schmierung vorausgesetzt, keinen exorbitanten Verschleiß, aber die Lösung mit den Kolbenringen verspricht hier eine dauerhaft gleichbleibende Laufkultur.
Die Nuten im Bärkolben sind Ölnuten, also hier bitte nicht auf die Idee kommen, und Kolbenringe einpassen. Diese Ausführung kenne ich nur bei der letzten Serie von Bêché mit Achtkantschabotte, welche bei diesem Fabrikat als so ziemlich die besten Maschinen galten. Macht ja auch bei der Schlagbelastung des Hammerbären absolut Sinn.
Was die Schäden an den Führungsbahnen betrifft, so würde ich hier nur die Führungsplatten (natürlich aus Grauguss!) neu anfertigen, und die restlichen Furchen ignorieren, vorausgesetzt der Hammer läuft ordentlich. Sollte doch zuviel Unterluft abgeblasen werden, so könnte man im obersten Bereich der Bärführung eine umlaufende Nut eindrehen (bzw. bei den Führungsplatten einfräsen), und eine selbstgefertigte Gummi- oder Lederdichtung einlegen. Spätestens dann wäre aber alles in Ordnung. Allerdings haben die Lufthämmer von Kuhn bzw. Reiter in der Bärführung auch keine Dichtung, und blasen relativ viel Luft nach unten ab. Aber trotzdem laufen diese Maschinen ziemlich gut.
Auf keinen Fall würde ich die Bärführung vom Innendurchmesser auf Übergröße aufarbeiten, und eine Buchse einziehen. Damit wäre das hochbelastete Bauteil ziemlich geschwächt.
Noch ein paar technische Daten zu deinem Hammer:

Bärgewicht = 35 Kg 
Höchster Bärhub = (stolze!) 310 mm
Schläge / Minute = 220
Reckt Rundstahl bis 60 mm Durchmesser
Gesamtgewicht = 1500 Kg 

Grüße, und viel Freude mit diesem Hammer!
Zuletzt bearbeitet: 23. Januar 2021 um 14:35, Sebastian
23. Januar 2021 um 10:45
Hallo Lukas,
bei deinem Hammer handelt es sich um einen Hessenmüller Herkules H1.
Und wie Sebastian im Vorfeld die Daten richtig übermittelt hat, hat er 35kg Bärgewicht. Dass es sich um einen H1 handelt ist auch schön daran zu erkennen, dass die Schabotte und der Maschinenständer aus einem Stück gefertigt worden ist.  Bereits beim H2 ist die Schabotte vom Maschinenständer getrennt.
Auch gehe ich damit konform, dass es sich bei den Eintichen im Kolben um Ölnuten handelt, obwohl es auch Varianten mit selbstnachjustierenden Kolbenringen gab.
Allerdings hinterlassen defekte Kolbenringe sowohl im Zylnder als auch am Kolben allzudeutliche Spuren beim Versagen. Da du keine undefinierbaren Brocken beim Ausbau und starke Riefen in der Bärzylinderwandung erwähnt hast gehe ich daher auch davon aus, dass du eine Variante mit Ölnuten hast.
Zum Betrieb des Hammers. Ich habe selbst einen Hessenmüller H3. Den deutlich größeren Bruder zu deinem.
meiner bläst auch im unteren Bereich an der Kolenstange Luft ab. Das ist nur normal. Und auch nötig, damit die Luft überschüssiges Öl wieder mit ausfördert, da die Permanentschmierung sonst irgendwann deine Zylinder füllen würde. Als Öl empfehle ich übrigens ein Getriebeöl mit Viskosität 220.
Ein wichtiger Unterschied zu anderen Lufthämmern ist die senkrecht eingebaute und axial verschiebbare Steuerwalze, über die die Funktionen des Hammers abgefragt werden. Falls dein Hammer über Reck- und Setzschlag verfügt, hat er im Gußkörper übrigens Druckspeicher, die er beim Setzschlag auf ca 6-8bar aufpumpt um dann genug Luft für Reihensetzschläge zu haben.
1.Lehrjahr: "Lerne dem fliegenden Hammer auf Sicht auszuweichen."

2.Lehrjahr: "Lerne dem fliegenden Hammer intuitiv auszuweichen, ohne die Arbeit dabei zu unterbrechen." 

3.Lehrjahr: "Lerne Werfen."       
23. Januar 2021 um 19:42

Klasse, danke für die Infos das bringt doch schon etwas Licht ins Dunkel. Beim Gewicht haben wir auch gerätselt und geschätzt --> gut, dass wir am Ende den größeren Hänger mitgenommen haben, wenn man jetzt das Gewicht liest :)

Hört sich gut an dann werd ich mal ein neues Plättchen besorgen und wieder alles zusammenschrauben.

Hier ein Bild von dem Steuerkolben:

Steuerkolben.png

Als Öl habe ich Gleitbahnöl verwendet.

Setz und Reckschlag hat er glaube ich nicht, einen Druckspreicher habe ich bislang nicht finden können. Es gibt auch keine zusätzlichen Schieber/ Regler oder sonstiges. Lediglich nen Haken, der den Fußbügel bzw. die Steruerung auf "Leerlauf" hält.

Beim weiteren Runterdrücken fährt der Bär dann nach oben und dann gibts nur noch die Schlagfunktion mit zunehmenden Druck aufs Pedal. In die andere Richtung am Handhebel gedrückt (auf dem Bild, am Steuerkolben zu sehen) presst er den Bär nach unten.

Jap das war sicher ein Schnäppchen, zumindest verglichen mit einem Neuen oder ebay-Kleinanzeigen Preisen :), geplant war eigtl. ein Eigenbau Tirehammer nach Amivorlage. Aber dann ist mir eingefallen, dass der gute Manfred mal was erwähnt hatte das noch einiges bei Ihm rumsteht. Die Größe ist auch schön schnuckelig, nicht übertrieben und mit Hubwagen Flaschenzug etc. kann man gut rangieren.

Gruß

Lukas

 

23. Januar 2021 um 20:18
Auch als Nicht-Maschinenhammernutzer macht es Spaß, an den interessanten Konstruktionsdetails mitzulernen. Danke.
Meinhard
4. Februar 2021 um 13:11
vielleicht hilft auch ein Blick in youtube unter "torbjörn ahmann power hammer maintenance", um Ideen zu Reparaturtechniken zu bekommen.
Meinhard
4. Februar 2021 um 19:07
Danke. Kenn ich schon, da sieht man schön die Dichtung an der Bährführung und auch die Kolbenringe am Bär ;)
Was da auch ganz fein ist ne Montagehilfe in Form von Gewinde im Bär, das hat(te) meiner nicht entsprechend spaßig war die Demontage.
Mittlerweile ist ne neue Platte gefräßt und eingepasst.
Zusammenbau noch ausstehend :)
5. April 2021 um 12:57
Hallo und noch schönes Ostern, :)

Sodele Teile sind wieder im Haus und ein paar Projektchen sind dazwischen gekommen, jetzt geht es die nächsten Wochen hoffentlich weiter :)

Bär in überarbeiter Führung liegt jetzt schön satt drin (und Ringschraube hat er auch bekommen), ausserdem das zweite Paar Gesenke umgemodelt für einfache, modulare DIY Gesenke.

Zu Ostern gab es ausserdem noch die Orginalunterlagen zu dem Hammer.

Für die, die es auch interessiert: 1 Reichsmark 1924 = € 4,20

Gruß

Lukas

Zuletzt bearbeitet: 5. April 2021 um 13:02, Lukas Rath