Allgemeine Definition: Raffinierstahl, Puddel, Schweißverbund, Wurmbund....

4. Juni 2013 um 15:22
Als allererstes möchte ich mal betonen dass ich absouluter Leie bin und kaum praktische Erfahrung in dem Bereich habe. Trotzdem möchte ich mal ne kleine Begriffkunde schreiben, da einfach vieles was man im Fernsehen oder gar Wikipedia beigebracht bekommt so einfach nicht stimmt. Ich werde das ganze allerdings sehr allgemein halten um selbst möglichst wenige Fehler einzubringen. Mir ist durchaus bewusst dass das Ganze warscheinlich ne heftige Diskussion auslöst, muss aber sein, weil nachplappern einfach kein verbreiten von Wissen ist.

Was ich hier aufführe zählt für die Eisen/Stahlherstellung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bevor modernere, gleichmäßigere Frischungverfahren eingeführt wurden.

Eisen: Alter Begriff eines nicht härtbaren Eisenwerkstoffes

Stahl: Eisen in dem mindestens 0,35% C enthalten ist und somit ein Härten ermöglicht. Über 1,5% C wird das Schmieden erschwert und die Empfindlichkeit des Stahles nimmt stark zu. Deshalb hat Stahl für uns zwischen 0,35 und 1,5% C.

Roheisen: Grundprodukt im Schmelzofen hergestellten Stahles mit ca. 4-5%C.


Als erstes muss mal unterschieden werden wie der Stahl hergestellt wurde. Hier gibt es 2 Grundlegende Unterschiede.

Im Rennofenverfahren:

Hier wird Eisenerz in kleinen Ofen/Herden im Reduktionsverfahren mit Holzkohle direkt zu schmiedbarem Eisen/Stahl reduziert. Dabei entstehen Temperaturen die Eisenpartikel teigig machen und zu einer Luppe verkleben. Diese Luppen sind je nach Herstellung relativ porös und enthalten zwischen 0 und 1,5% C. Je nach Können, Erz, und Kalibrierung kann der C Gehalt grob gesteuert werden. Es ist auch möglich mit der Temperatur so hohe Bereiche zu erreichen dass das Eisen schmilzt und so viel C zu binden dass Roheisen entsteht. Dieses ist aber wieder nicht mehr schmiedbar und somit ein absolut unerwünschtes Produkt.
Durch die relativ niedrigen Temperaturen werden aber auch eventuell im Erz enthaltene Legierungsbestandteile nicht in der Luppe gebunden und sind somit nicht im Renneisen enthalten. Eine Ausnahme ist Phophor. Im C-freien Renneisen wirkt Phosphor sogar verfestigend führt allerdings zu einem sehr groben Gefüge. Außerdem verhindern sehr hohe Phosphorgehalte eine Bindung von C im Luppeneisen. In der Luppe entstehen sehr unterschiedliche Zonen mit Eisen unterschiedlicher Qualität. Deshalb ist es sinnvoll die Luppe zu brechen und die Bruchstücke zu sortieren. Die Luppe muss aber auf jeden Fall noch verdichtet und mehrmals gefaltet werden um Löcher zu schließen und Verunreinigungen von Schlacke und Holzkohle auszutreiben. Dadurch wird das Eisen immer homogener und hochwertiger. Im Rennofen konnten nur relativ kleine Mengen Erz verarbeitet werden, die allerdings gleich schmiedbar waren. Aufgrund der ungleichmäßigen Zusammensetzung der Luppe herrscht im Material eben Ungleichmäßigkeiten. Die können zwar durch falten (raffinieren) homogenisiert werden, liegen aber immer noch vor. Das heißt wird das Material poliert oder angeätzt werden diese Ungleichmäßigkeiten und noch vorhandenen Restunreinheiten als Fasern sichtbar. Je mehr raffiniert wird desto feiner werden diese Fasern und weniger werden die Unreinheiten. Ein Paradebeispiel dafür sind die von den Japanern hergestellten Katana bei denen auf den polierten Klingen immernoch ganz fein die Struktur zu sehen ist. Bitte nicht mit der Härtelinie verwechseln.

Schmelzofenverfahren (Hochofenverfahren):

Im Schmelzofen wird Eisenerz mit Fossilen Brennstoffen bei so hohen Temperaturen behandelt dass das Erz nach der Reduktion schmilzt und in dem Flüssigen Eisen sehr viel C in Lösung geht. Ebenso können Legierungsbestandteile wie Mg
im Eisen/Stahl gelöst werden. Um aus dem Unschmiedbaren Roheisen schmiedbares Eisen/Stahl zu machen muss gefrischt werden. Unter Frischen bezeichent man ein Einbringen von Sauerstoff in die Schmelze um C zu verbrennen und so den C Gehalt soweit zu senken dass Schmiedbarer Stahl/Eisen entseht. Im Schmelzofen konnten sehr große Mengen Eisenerz verarbeitet werden.


Puddeleisen/Puddelstahl:

Beim Puddelverfahren wurde im Schmelzofen hergestelltes Roheisen verarbeitet indem Arbeiter mit Eisenstangen in den Tiegeln rührten und somit Sauerstoff einbrachten um den Kohlenstoff zu verbrennen. Puddeln ist somit eine Form des Frischens. Dabei wurde ein wichtiger Effekt genutzt. Mit zunehmenden C-Gehalt des Stahls sinkt der Schmelzpunkt. Bringt man jetzt mit Stangen über die Oberfläche Sauerstoff ein wird an der Oberfläche das C arme Material teigiger und bleibt an den Stangen kleben. Die ebenfalls Luppe genannten Klumpen konnte man dann entnehmen. Je nach Fähigkeit des Puddlers konnte relativ C freies Eisen oder sogar Stahl bestimmter Qualität entnommen werden. Auch dieses Material wurde um die Qualität zu erhöhen durch Falten oder Gärben Raffiniert. Auch hier entstehen Strukturen im Eisen/Stahl die wie Fasern angeortent sind und durch polieren/ätzen sichtbar werden.

Raffinierstahl/Raffiniereisen

Eisen/Stahl das durch falten oder gärben homogenisiert wurde um die Qualität zu erhohen. Auch wurden verschiedene Qualitäten miteinander Raffiniert um eine Erhöhung der Leistung zu erreichen, z.B. beim Drahtziehen.

Doch hier muss nun unterschieden werden und das wird meist völlig ignoriert

Obwohl man sowohl Material aus dem Rennofen als auch aus dem Schmelzofen raffiniert hat und man beides als Raffinierstahl bezeichnen kann handelt es sich um unterschiedliche Materialien. Man darf diese beiden Materialien nicht über einen Kamm scheren, da sie sich in ihren Eigenschaften unterscheiden. Genau genommen müsste man Rennofenmaterial als unlegiert und Schmelzofenmaterial als niedriglegiert oder legiert einstufen. Selbst Stähle die man heute als unlegiert kaufen kann haben zumindest Mn Gehalte von bis zu 0,8% und das ändert die Eigenschaften das Härteverhalten entscheidend.

Gärbstahl:
Unter Gärbstahl versteht man Raffinierstahl der nicht durch falten sondern gärben hergestellt wurde. Das heißt man schmiedet den groben Stahl zu dünnen Blechstreifen aus die dann zu Garben aufeinandergestabelt und erneut verschweißt wurden. Da diese dünnen Streifen schnell abkühlen verlangt das Ausschmieden mechanische Hämmer die natürlich Zeitlich erst relativ spät verfügbar waren. Falten ist also die ältere Technik des Raffinierens.


Schweißverbund:
Als Schweißverbund versteht man eine Technik bei der man mindestens 2 verschiedene Stähle kombiniert und diese verschweißt. Meist wird das gemacht um eine Leistungserhöhung zu erreichen oder teures Material zu sparen. Man kann aber auch optische Effekte damit erreichen.

Japanische Klingen: Es gibt sehr viele Herstellungs-, Gebrauchsarten japanischer Klingen. Das Thema ist unglaublich Komplex. Ich will mal grob am japanischen Katana erklären.
Der Klingenstahl wird aus speziellen sehr reinem japanischem Eisensand in einem speziellen Rennofen gewonnen. Die Luppe wird zertrümmert, zu dünnen Plättchen geschmiedet und gebrochen. Aufgrund der Bruchstellen kann der Schmied nach Qualität und C-Gehalt unterscheiden und sortiert diese. Kohlenstoffreiche Plättchen mit etwa 1,5%C werden aufeinandergestabelt und im Holzkohlefeuer verschweißt. Das entstandene Packet wird aufwendig raffiniert bis der Schmied der Meinung ist dass das Material homogen genug ist. Dabei kohlt der Stahl auf etwa 0,7%C ab.

Dann nimmt der Schmied sehr kohlenstoffarme Bruchstücke der Luppe, stabelt und verschweißt diese im Holzkohlefeuer und raffiniert diese auch gründlich.

Es gibt nun verschiedene, teils sehr komplexe Aufbauten eines Katana. Ich erkläre nur die einfachste: Dabei wird der Kohlenstoffreiche Stahl zu einer Art U-Förmigen Winkeleisen geformt (ich hoffe das ist verständlich) in das das weiche Eisen gelegt und verschweißt wird. Danach wird die Klinge ausgeformt. Das heißt dass in der Kinge in der Mitte umhüllt von Stahl ne weiche Einlage aus Eisen als Schweißverbund vorhanden ist. Dadurch wird erreicht dass bei langen Klingen beim Aufschlag entstehende Schockbelastungen gedämpft werden und Spannungen abgefangen werden. Das Schwert bricht nicht so leicht bei gleichzeitung harter Schale. Zusätzlich wird noch differenziell gehärtet. Das heißt man bestreicht die Klinge dick mit Lehm, wobei der Schneidenbereich mit etwas zum Rücken hin ausgespart wird. Es gibt verschiedene Breiten dieser Zohne und auch der die Form des Übergangs sind unterschiedlich aber bewusst gesteuert.
Dadurch kann die Schneide beim härten voll aushärten und der Rücken bleibt weicher. Auch dadurch werden die Eigenschaften der Kinge positiv beeinflußt. Zusätzlich dehnt sich die Schneide beim Härten aus, der Rücken nicht was zu der typischen Biegung des Katana führt. Die Klinge wird dann geschliffen und aufwendig in sehr speziellen Verfahren poliert. Nach der politur ist die Struktur des Raffinierstahles zu erkennen. Zusätzlich zeichent sich in der Nähe des beim Härten aufgebrachten Lehmmantels eine Härtelinie ab.

Grundsätzlich ist so eine Klinge also eine Schweißverbundklinge mit Raffinierstählen aus einem Rennofen.

Wurmbunde Kilngen:
Wurmbunde Klingen sind besonders aus dem Raum der Kelten und Wickinger bekannt und sind auch in diesen Zeitraum bis ins mittlere Mittelalter anzusetzen. Diese Klinge wurden beschrieben als: mit lebendiger Struktur als ob sich Gewürm darin bewege.

Bei diesen Klingen handelt es sich ebenfalls um Schweißverbundklingen mit Raffinierstählen aus dem Rennofen. Die beschriebene Struktur entstand durch die Verwendung von verdrehten Stäben die meist aus 7 Lagen Schweißverbund bestanden. Auch hier gab es aber unterschiedlichste Aufbauten die teilweise sehr komplex waren. Die Schneidleiste war meines Wissens immer aus einem Raffinierstahl. Leider gibt es nur sehr wenige Funde und nur sehr wenige Analysen der Materialien. Es ist meines Wissens an historischen Klingen noch nie konkret bestimmt worden aus welchen Einflüssen sich der Kontrast der tortierten Elemente ergibt.

Rekonstruktionsversuche:
Mir ist ein Versuch bekannt in dem Reineisen aufgekohlt und mit Reineisen verschweißt und tortiert wurde. Das gab einen deutlichen Kontrast auch wenn immernoch bestritten wird dass Materialien die sich nur durch den C-Gehalt unterscheiden für diesen Effekt verantwortlich gewesen sein können. Ebenso sind mir Klingen bekannt die mit Torsionen aus reinen C haltigen Raffinierstahl aus dem Rennofen und raffiniertem Phosphoreisen aus dem Rennofen gefertigt wurden. Mögliche Lösungen gibt es also. Analytische Bestätigungen historischer Klingen sind mir nicht bekannt.

Ob mit diesen Mustern wirklich Leistungssteigerungen erreicht wurden ist fraglich, sowohl optisch als auch Handwerklich sind diese Klingen jedenfalls Meisterleistungen.

Meteoriteneisen: Immer wieder höhrt man ja (im Fernsehen und Sagen) dass Meteoriteneisen verwendet worden ist. Das ist zwar möglich aber auch das ist in keinster Weise belegt oder gestützt (wenn man mal das Nibelungenlied außen vor lässt).

Damaszener Stahl:
Die erste Erwähnung  des Begriffes die ich kenne stammt aus einem Solinger Buch des 18.Jahrhunderts und beschreibt die Herstellung eines solchen. Ich habs leider nicht gelesen weis also nicht was drin steht. Auch Mustersteuerungen die auf Prägen beruhen sind mir erst aus dieser Zeit bekannt. 




Zuletzt bearbeitet: 6. Juni 2013 um 17:47
5. Juni 2013 um 12:12
Super,
weiter so, und es kann sofort als Einlage in manches Fachbuch herhalten
Danke
Peter